1899 Hoffenheim vs. SC Freiburg
per aspera ad astra
oder: Ein Spiel mit vielen Gewinnern – und einem Verlierer
Es war wohl noch nie so viel Ungewohntes auf der Anzeigetafel im Stadion zu sehen, wie am 20. Spieltag. Das fing an mit der Mannschaftsaufstellung …
„Im Tor mit der 34: Heurelho GOMES.“
„Die 12: David ABRAHAM.“
„Die 42: Eugen POLANSKI“
„Die 10: Igor DE CAMARGO“
… es hörte auf mit dem Endstand:
„2:1“
Endlich wieder ein Sieg unserer Mannschaft. Und müßig zu erwähnen, wie nötig dieser war. Zum einen aufgrund der Tabellensituation, zum anderen aufgrund der psychologischen Disposition innerhalb und außerhalb der Mannschaft.
Ja, es geht aktuell hoch her im ansonsten moderat hügeligen Kraichgau. Dass die Transferperiode im Januar zur Verstärkung der Mannschaft genutzt wird, ist klar, auch wenn sich trefflich über sie als solches, ihre Sinnhaftigkeit und ihre Fairness streiten lässt.
Aber das Wie und Wer hatte doch ganz besondere Züge bei uns, wobei hier vor allem die Personalie im Gehäuse als wahrlich einzigartig zu nennen ist.
Tim Wiese wurde als ablösefreier Nationaltorwart geholt, vom damaligen Trainer und Manager Babbel zum Kapitän ernannt, und kam doch nie wirklich an. Zum einen nicht bei den Fans, zum anderen nicht bei der lokalen Presse.
Diese ist aber ohnehin ein Sonderfall. In einer Stellungnahme reagierte sie auf die öffentliche Schelte seitens des Vereins in allen TV-Interviews mit den Worten, dass eine Zeitung kein Stadionheft sei. Das ist selbstredend richtig und allein die bloße Erwähnung dieser Selbstverständlichkeit zeigt die Kluft zwischen dem Verein und dem Lokalzeitungsmonopolisten, wobei beide doch dasselbe fordern: „Fairness“.
Aber so wie an anderer Stelle aktuell Diskussionen um das Thema „Respekt“ en vogue und on air sind, wobei ein junger Mensch einen älteren diesen offensichtlichen Unterschied ohne Weiteres zum Thema machen darf, während es, darf man den öffentlichen-rechtlichen, den politisch-korrekten sowie den sogenannten Sozialen Medien/Netzwerken Glauben schenken, dem männlichen Menschen nicht so ohne Weiteres gestattet ist, einen ebenso offensichtlichen Unterschied zu einem weiblichen Menschen zu thematisieren, scheint auch hier der alte Spruch zu gelten: „Quod licet Iovi non licet bovi!“
So fand vielleicht die schönste Szene des Spiels nach dem Spiel auf der Pressekonferenz statt, als der Vertreter der Internetseite 1899aktuell.de, ein Ableger der gescholtenen Rhein-Neckar-Zeitung, von Marco Kurz wissen wollte – es war die erste Frage, die nach den obligatorischen Statements der Trainer gestellt wurde -, wie er denn die Leistung von Gomes bewerte, woraufhin er zur Antwort erhielt, dass er, Kurz, es ihm, dem Schreiber, ja nicht sagen müsse, da er, der Schreiber, ihn, Gomes, ja schon vor dem Spiel bewertet habe.
Zwei Fragen später wurde die Frage von einem anderen Journalisten wiederholt – und dann auch in Gänze beantwortet.
Aber nicht nur der Trainer war mit der Leistung des Torwarts zufrieden. Er war, spätestens nachdem er nach zwei Minuten einen Kullerball festhielt, der Liebling der Massen. Frenetischer Applaus begleitete von da an jeden seiner Ballkontakte.
Und das, was bei Wiese noch wie Hohn klang, klang auf einmal nach Spaß, Lust, jawoll!
Auf der einen Seite natürlich schön von den Rängen, dass man die neuen Spieler und gerade den auf einer so, wie der Fußballreporter gerne fremdsprachlich betont, neuralgischen Position willkommen heißt und sie unterstützt und auch mal Fehler verzeiht.
Auf der anderen Seite natürlich bitter, dass seinem Vorgänger dies aus den unterschiedlichsten Gründen nie zuteil wurde.
So unnütz die Verpflichtung von Wiese überhaupt war, so unmenschlich war die Art und Weise, wie er außerhalb der Mannschaft behandelt wurde, wie über ihn gesprochen wurde, obwohl er selbst nie etwas anderes tat als seinen Job.
Den machte er allerdings selten so gut, wie man es sich erhoffte, dennoch … Gerade die Kritiker müssen sich fragen lassen, ob sie nicht in der Sache, aber im Ton stets angemessen agiert haben. Vielleicht ist es die ihm oft zum Vorwurf gemachte Ignoranz, die ihn das alles ertragen lässt, ohne sich für die Fahrpläne des Bahn-Regionalverkehrs zu interessieren. (Robert Enke wähnte sich auch einmal auf dem Weg zur Nr. 1 im Tor der deutschen Nationalmannschaft – und stand statt darin plötzlich heftig in der Kritik und dann auf den Gleisen. — Wieso darf man das nicht als Beispiel heranziehen?)
Auffallend war dabei nicht einmal so sehr der aufmunternde Beifall, den Gomes für die Aufnahme des Kullerballs erhielt, sondern der aufmunternde Beifall wenige Sekunden nach seiner zweiten Szene, als er einen Ball zwar sehr gut, aber halt nach vorne parierte, wo ihn der gegnerische Spieler wieder aufnehmen konnte, Delpierre ausspielte, Abraham vorbeirutschen ließ und das Spielgerät dann doch an Gomes vorbei ins Tor schießen konnte.
So ganz, ganz schuldlos war unsere neue Nr. 1 mit der 34 daran also nicht, aber dennoch … keine Pfiffe. Im Gegenteil: Die Südkurve sang noch lauter und der Funke sprang auf den Rest der 24.000 Zuschauer über.
Vielleicht gefiel ihnen wie uns, dass sich der Torwart ärgerte, dass er mit seinen Vorderleuten schimpfte, ohne aber dabei abzuwinken oder den Kopf zu senken.
Dieses sehr frühe Gegentor hätte zumindest in der Hinrunde nebst Trainer- und Torwart- nur noch zu Diskussionen auf den Rängen über die Höhe der Niederlage gereicht. Diesmal war es anders. Und diesmal kam es anders.
Zwar hätten die Gäste wieder nur wenige Minuten später auf 0:2 erhöhen können, aber der Ball kullerte da nur parallel zur Torlinie und trotz seiner unmittelbaren Nähe zur selben, fand sich niemand, der eine Ergebnisveränderung hätte herbeiführen können.
Das war zugegebenermaßen Glück und die letzte wirkliche Chance des Gäste. Danach spielte und vor allem rannte nur noch unsere Mannschaft.
Über 124 Kilometer sei sie insgesamt in dem Spiel gelaufen, was den besten Wert in der bisherigen Saison darstellte. Eine sehr schöne, aber auch sehr verwunderliche Nachricht, denn in der zweiten Halbzeit liefen wir kaum noch, dafür die Gäste inzwischen ihrem Rückstand hinterher, sich aber in der inzwischen gut sortierten Abwehr fest.
Die Wende kam mit einem weiteren neuen Spieler, der in dieser Begegnung sein Heimspieldebüt gab. Polanskis genialer Pass in den freien Raum, den Firmino hervorragend erlief und an den Pfosten setzte, brachte den Ausgleich, denn vom Längsträger des Tores sprang der Ball zurück und Volland vor die Füße.
Sein Schuss wurde zwar von einem Abwehrspieler noch geblockt, aber er war fest genug, dass er es doch über die Linie schaffte.
Und wenige Minuten später war es wieder der zuletzt sowohl zurecht als auch oft gescholtene Firmino, der mit seinem Einsatz dafür sorgte, dass die Gäste den Ball am eigenen Strafraum verloren. Weis nahm ihn auf, blickte auf und passte auf … Volland, der wieder direkt und mit Schmackes schoss. Aus um die fünf Meter mit gefühlt 200 km/h, war jedwede Blockade, auch die des Torwarts, der in der besagte Ecke stand, ausgeschlossen – dafür die Freude auf Platz und Rängen groß.
Das letzte Spiel, das wir drehten und gewannen, war an Spieltag 4 der Hinrunde. Das jetzt war Spieltag 3 der Rückrunde und nicht zuletzt aufgrund der Punktgewinne aller (!) Mannschaften aus dem unteren Teil der Tabelle ein enorm wichtiger Sieg für den Verbleib in der 1. Liga – wie gesagt: punkte- und kopfmäßig.
Die Art und Weise wie sich die Mannschaft bereits in den letzten Spielen präsentierte und in diesem Spiel belohnte, ist zwar weit von dem entfernt, was einmal fast schon als „Hoffenheimer Schule“ galt (Passquote unter 70%, während die der Gäste über 80% lag), aber die Wiedererlangung dieses Status kann aktuell nicht das vorderste Ziel sein.
Sollte dies aber erreicht werden, und es gibt ja nun wieder etwas mehr berechtigte Hoffnung, kann die Zukunft des Vereins nur in seiner Herkunft liegen. Die richtigen Spieler dazu hat der Verein. Und den hierfür richtigen Fanclub hat er auch!
vivere vincere est
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