1899 Hoffenheim vs. RB Leipzig
Keine Kunst, aber Hammer!
Sieg gegen Leipzig dank
a Energie statt d) Mut.
Der Fußball ist ja nicht der einzige Bereich im Leben, in dem das Moderne verpönt ist, in dem das Offensichtliche durch viel pseudokluges Gerede und Geschreibsel (hüstel) zu etwas Außergewöhnlichem stilisiert wird, wo doch jede/r, manchmal still denkt, nicht selten aber sehr laut und deutlich zu verstehen gibt, dass man das, was da dargeboten wird, selbst oder zumindest jedes Kind könne – und dann versuche man noch, das einem für wahnsinnig viel Geld zu verkaufen, wobei das ja wohl nie und nimmer den Wert haben kann.
Da werden Millionenbeträge unter angeblichen Fachleuten transferiert, wo sich der profunde Laie nur wundern kann, was das soll. Zwar wird immer gesagt, dass es um etwas gehe, was allen Menschen zugänglich sein soll, weil es eine elementare Bedeutung für eine Gesellschaft habe, aber genau dieser diese Beträge überhaupt nicht mehr vermittelbar sind. Und nicht einmal die Expertinnen und Experten des Marktes können erklären, warum für den einen Akteur so viel mehr bezahlt wird als für einen anderen, obwohl sie ja eigentlich alle das gleiche machen – und nicht selten beherrscht der Günstigere sein Metier wesentlich besser als das vermeintliche Genie. Aber sowohl der eine als auch der andere sind objektiv weniger kompetent in der Gesamtbetrachtung bzw. beherrschen weder die Feinheiten noch die Vielseitigkeit der Großen von früher, die allesamt so viel mehr konnten und so viel schlechter bezahlt wurden, als diese mediengehypten Stars der Szene von heute. Dafür verdienen sich alle möglichen Leute daran eine goldene Nase, die sie dann auch noch hochhalten, weil sie angeblich so systemrelevant sind. So verwundert es überhaupt nicht, dass sich die große Masse mehr und mehr von diesem modernen Zeug abwendet.
Die Rede ist natürlich vom Kunstmarkt.
Und gerade an diesem Wochenende war das wieder zu sehen – bei Sotheby’s in New York. Dort kam moderne Kunst unter den Hammer – und der Hammer schlechthin waren die 6,2 Millionen US-$, die für Maurizio Cattelans Werk „Comedian“ bezahlt wurden.
Die Auktion:
Käufer war Justin Sun, ein chinesischer Sammler und Gründer von TRON, einer Börse für Kryptowährungen.
Das Werk:
Bei dem Werk handelt es sich nicht um eine Person oder ein Gemälde. Kein Harlekin – zumindest nicht als bildliches Motiv. Der Künstler hingegen …
Jedenfalls handelt es sich bei dem Werk offensichtlich um eine an einem (unsichtbaren) Nagel befestigten Banane, die mit einfachem Panzertape an einer weißen Wand festgeklebt ist. Aber das halt nur für die, die es nicht mit dem kleinen Prinzen halten, der da ja sagt:
„Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar.“
Bei 6,2 Mio US-$ kann einem schon mal das Herz aufgehen, vor allem für das Auktionshaus, das mit bis zu 1,5 Mio. US-$ rechnete, den Verkäufer, die diversen Berater und Vermittler dazwischen. Ob er selbst davon noch profitiert? Möglich ist es, denn der Mann lebt noch. Und selbst, wenn er an dem Betrag nicht partizipiert, sein nächstes Werk kostet jetzt schon gewiss eine Million mehr.
(Mehr zu dem Mann findest du, geneigte/r Leser/in, in dem sehr hörenswerten Podcast „Augen zu“, in dem auch seine weiteren sehr bekannten Werke, wie „Him“, einen auf Knie um Vergebung bittenden Hitler, oder „La Nona Ora“, eine lebensgroße Nachbildung von Papst Johannes Paul II., der von einem Meteoriten niedergestreckt auf einem roten Teppich liegt, thematisiert werden.)
Ist der Mann nun Harlekin? Oder ein Künstler? Und wenn, inwiefern?
Auch wenn der Verweis, dass das ja jedes Kind könne, hier sehr naheliegt, ist er doch falsch, weil es keines täte, schließlich bekäme jedes Kind, dass das täte, zumindest Schimpfe von seinen Eltern, schließlich spielt man nicht mit Lebensmitteln.
Ist es nicht vielmehr eine Kunst, wen zu finden, der für so etwas nicht nur mehr Geld ausgibt als ca. 1 € (1 Nagel, 20 cm Panzertape, 1 Banane (Kilopreis aktuell rd. 2 €), sondern das auch immer wieder erneuern muss, schließlich verrottet das Ding ja.
Aber so sehr man sich darüber echauffieren und Vergleiche anstellen mag zu van Gogh, Rembrandt, Vermeer, Giacometti, Monet, Manet, Michelangelo, Botticelli u. s. s. v. a. m., Fakt ist: Er hat €rfolg! 🙂 … und um den geht’s – in der Kunst als auch im Fußball.
Ob man sich in zehn, hundert, zweihundert Jahren noch an ihn erinnert? Das dürfte ihn am allerwenigsten interessieren.
Was bringt es van Gogh heute, dass seine Werke als so bedeutsam und wertvoll gelten.
Obwohl er in nur zehn Jahren, 900 Gemälde schuf – plus Zeichnungen und Skizzen –, verkaufte er in der Zeit seines Schaffens – er begann erst im Alter von 27 Jahren und verstarb mit 37 – lediglich eines. Er hatte zu Lebzeiten nicht einmal Geld für Modelle, weshalb er sich selbst malte.
Was hat das alles jetzt mit der TSG im Allgemeinen und dem Spiel gegen RB Leipzig im Besonderen zu tun?
Nun … bananas!
Im Mutterland des Fußballs sagt man umgangssprachlich zu etwas oder jemanden, der verrückt ist oder „‘n Rad abhat“: he/she/it is bananas, jemand oder etwas, der/das durchdreht: he/she/it goes bananas oder jemand oder etwas, der/das wen verrückt macht: he/she/it drives me (you, her, him, us, them etc. = somebody) bananas.
Zugegeben, sehr weit ausgeholt, aber ZACK das Thema wieder eingeholt. Und auch die Analogie zum Kunstmarkt ist nach kurzer Bedenkzeit mehr als offensichtlich, denn beide Märkte haben ihre ganz eigenen Gesetze.
Und so, wie ein Maler seinen Platz an der Wand von Galerien verliert, wenn er nicht punktet, verliert ein Trainer bei Erfolglosigkeit seines Werks seinen Platz auf der Bank. Die Gründe hierfür interessieren nicht. Auch nicht Sympathiewerte. Das alles hat in dem Rahmen keinen Platz.
Rino wurde als gef- und Christian Ilzer samt Stab von Sturm Graz durch den ehemaligen Sportdirektor dort und heutigem hier angeheuert. Das hat natürlich alles ‘n Gschmäckle, aber wenn die Mannschaft derart mit Schmackes spielt, kommen die Fans sehr schnell auch auf den Geschmack – und zurück in die Prezero-Arena bzw., um die Kunstanalogie weiter zu treiben, in die TSGalerie.
Das war ja schon jetzt der Fall. Trotz bescheidenen äußeren Umständen (Temperaturen um den Gefrierpunkt.) war der Heimbereich nahezu ausverkauft. Und so, wie das Team auftrat wurde einem auch sehr schnell warm ums Herz
Die Mannschaft spielte auch unter Matarazzo nicht so schlecht wie dargestellt, aber eben auch nicht so gut und vor allem nicht so schnell und dynamisch. In der Regel berührte kein Spieler den Ball öfter als drei Mal: Annahme, Kontrolle, Weitergabe. Nie stand wer und wartete auf den Ball, sondern alle waren ständig in Bewegung und boten sich für ein Zuspiel an.
Solche Passagen gab es auch früher, aber sie hielten selten länger als 20 Minuten an. Da stand es bereits 1:2 und die Mannschaft arbeitete daran, den Ausgleich zu erzielen – und wir Fans glaubten daran, weil wir nicht nur mit unseren Augen das Ergebnis auf der Anzeigetafel sahen, sondern auch unsere Herzen einen neuen Geist in der Mannschaft erblickten – trotz alter Muster.
Klare Dominanz des Gegners in den Anfangsminuten, erste eigene Großchance vergeigt, erste Chance des Gegners, 0:1 – „dank“ erneutem Riesenloch im neugeschaffenen Abwehrverbund, in dem Nsoki und Chaves das Zentrum bildeten. Stach war da draußen, stand aber dafür eine Reihe weiter vorne im Mittelfeld. Da war Grillitsch draußen – und ist es wohl überhaupt.
Wenn man der Gerüchteküche Glauben schenken darf, haben die Österreicher, die den Job der sportlichen Leitung der TSG innehaben, dem Österreicher, der die spielerische Leitung der TSG bislang innehatte, offenbart, dass sie nicht mehr mit ihm planen. Hoppla …
Dafür spielte Bischof neben ihm, und die beiden ergänzten sich hervorragend. Sie brachten immer wieder Bälle in die Spitze und die Gästeabwehr in Unordnung. Unmittelbar nach dem Rückstand ging es auch sofort nach vorn und keine zwei Minuten später glichen wir aus, weil die Bullen, aber auch so einige Elche über den Ball hauten, der dann glücklicherweise bei Hlozek landete, der mit sich selbst Doppelpass spielte und einnetzte.
Jubel, Trubel, Scheibenkleister, denn mit dem nächsten Angriff, ihrem zweiten, rissen die Gäste wieder Riesenlöcher in unsere Abwehr und dann die Arme hoch. Das war schon arg jämmerlich, was da in der letzten Reihe dargeboten wurde, wenn es der Gegner schnell machte. Und der erneute Rückstand zeigte schon auch Wirkung beim Team, schließlich hat man ja nicht nur in der Spielzeit einiges an Erfahrung in solchen Situationen – und „gedrehte“ Spiele gehören wenige dazu. Womöglich mag in der Phase auch ein Zweifel aufgekommen sein an der neuen Spielidee des Trainers, schließlich führte die zu – ergebnistechnisch – alten Problemen, weshalb sie etwas den Faden verlor, aber nie den Mut, denn den hatte sie nicht, weil sie ihn nicht haben sollte.
Vielleicht haben wir es überhört, aber auf der Pressekonferenz vor dem Spiel fiel das Lieblingswort aller TSG-Trainer kein einziges Mal. Nie war davon die Rede, dass man a) mutig auftreten wolle, b) mutig spielen wolle, c) mutig irgendwas. Nein! Stattdessen forderte Ilzer auch nicht einfach d) Mut, sondern mehrfach „a Energie“.
Also nicht Energie als solche, sondern „a“, wobei wir uns nicht sicher sind, ob „A“ vielleicht nicht richtiger wäre, andererseits ergibt „B-Energie“ ja keinen Sinn. Aber wenn der Steiermarker mit „a“ den unbestimmten Artikel „e“ des Kraichgauers meint, fehlt entweder die Bestimmtheit der Energie oder – und das ist unsere Vermutung: Es handelt sich um eine Maßeinheit. Aber es ist ja auch nicht wichtig, ob oder wie wir das verstehen, wichtig ist, die Mannschaft versteht’s – und das tat sie.
Die 2. Halbzeit begann wie die 1. mit einer Großchance Tabakovics, die er leider ebenfalls vergab. Aber dann kam es vielleicht zu der Szene des Spiels – und das war nicht das 2:2 durch den frech, keck und klasse geschossenen Freistoß von dem überragend spielenden Bischof, sondern dass Kramaric ihn nicht schoss – und das obwohl beide bereitstanden. Oldie and Goldie Kramaric lief ein, zwei Schritte an, stoppte aber und überließ den Ball dem Youngster. Welch‘ ein Vertrauen! Welch‘ Abstinenz von Eitelkeit! Welch‘ Teamgeist! Kein Wunder half bei so viel Güte auch der gute Fußballgott etwas mit dem Innenpfosten. Aber er fand‘s bestimmt auch geil von unserem neuen Wunderkind, die Chuzpe zu besitzen, flach aufs Torwarteck zu zielen.
Erstes Ziel: Fünf Minuten nach dem Ausgleich nicht wieder in Rückstand geraten. Geschafft!
Zweites Ziel: Nochmal fünf Minuten nicht in Rückstand geraten. Geschafft!
Drittes Ziel: Jetzt mal zehn Minuten nicht in Rück…Scheiße.
Wieder keine gute Zuordnung, als wieder ein Ball recht simpel vors Tor geflankt werden konnte, wo dann zwar Nsoki seinen Schlappen vor dem Gegner an den Ball kriegte, der halt nicht zum Glück, sondern zum Unglück, denn von da ging er ins eigene Tor.
Der Rückstand war natürlich ein erneuter Rückschlag, so dass die Mannschaft nicht sofort zurückschlagen konnte. Aber sie hatte immer noch a Energie, sie hatte immer noch die Kraft, das Spiel nach vorne anzutreiben. Dadurch lud sich ihre Batterie wieder auf – und durch die Einwechslung von Tohumcu und Bruun Larsen – und gerade Letzterer brachte wieder richtig Spannung und Power aufs Feld. Er zündete sofort.
Eine Minute nach seiner Einwechslung legte er Hlosek den Ball perfekt auf, der ihn dann ebenso traf. Der erneute Ausgleich. Und da schien es im Kopf zu funken. Wenn man eine 3:0-Führung verspielen und das Spiel dann verlieren kann – so bekanntlich geschehen im Spiel gegen Bremen –, so kann man ein Spiel, bei dem man drei Mal zurückkommt auch gewinnen – und so kam es dann auch. Weil Stach noch a Energie hatte, einem Ball, der nach einer vergebenen Mittelchance an der gegnerischen Eckfahne ins Aus zu trudeln schien, hinterherrannte, ihn noch weiter in Richtung Torauslinie zog und ihn dann hoch und weit zurück in den Strafraum der Gäste flanke, wo sich Bruun „The Battery“ Larsen hochschraubte und das Spielgerät fast schon linksfüßig wuchtig einköpfte.
Letztes Ziel: Keine Chance mehr zulassen …
Geschafft!
Und das waren dann auch alle im Stadion – ganz gleich, ob sie es mit der TSG halten oder nicht. Aber die, die es taten, freuten sich wie doof über diese Energieleistung – und die drei hochverdienten Punkte.
So sehr man Rino mochte, ob sie unter seiner Feder-/Pinselführung das Spiel gedreht hätten? Weiß man nicht, aber unter dem Spiel/Werk war deutlich die Handschrift Ilzers erkennbar. Da war mehr Expressionismus zu sehen. Die Mannschaft präsentierte weniger Abstraktes und legte einen Hyperrealismus an den Tag, der zwar noch nicht ganz den Wert hatte, der tags zuvor bei Sotheby’s erreicht wurde, aber selbst, wenn es noch keine große Kunst war, die wir da sahen, es war zweifelsohne großer Sport.
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