1899 Hoffenheim vs. Hertha BSC
Die Matrix?
Lieber Hoffenheim als Hollywood
So reif das Auftreten der Mannschaft gestern gegen die Hertha war, filmreif war es nicht – und, um einen ehemaligen regierenden Bürgermeister unserer Hauptstadt zu zitieren, „das ist auch gut so.“
Natürlich hätte man nichts gegen etwas mehr Action gehabt. Andererseits kam die gestrige Vorstellung unserer Mannschaft ohne Drama aus, was ja schon mal viel wert ist. Nun kann man im Nachhinein natürlich kritisieren, dass die gestrige Spätvorstellung insgesamt so einiges an Überlänge hatte. Doch, obgleich man dies schon sehr früh ahnte, wusste man das erst am Schluss, als sich über dieses erneute Reverse Remake mit einem letztlich ganz banalen Happy End der Vorhang der Nacht legte.
Reverse Remake? Was soll denn, bitte schön, das sein, fragst du dich cineastisch interessiert/r Leser/in? „Den Ausdruck kenne ich gar nicht.“ Und auch das ist gut so, denn bis eben gab es diesen nicht. Allerdings wäre es ganz interessant, wenn dies ein Filmgenre werden würde.
Nicht dass man sich im falschen Film wähnt, sondern eher, dass man sicher fühlt, das alles schon mal gesehen zu haben, aber anders rum. Den gleichen Effekt verspürten wir ja bereits im Spiel gegen den 1. FC Köln. (nachzulesen hier)
Ist das gar doch der Beweis, dass es so etwas wie „Die Matrix“ gibt? Schließlich meinen ja nicht wenige Menschen auf Basis vieler guter Indizien, dass der Fußball sich inzwischen in einer Parallelwelt befinde …
Naja, immerhin war es diesmal insofern anders, als dass man nicht glaubte, die Mannschaften hätten die Trikots getauscht, sondern der Spielverlauf würde 1:1 einer anderen Begenung entsprechen, nur diesmal mit einem anderen – und bezogen auf gestern – besseren Ausgang für die TSG.
Als wir beim VfB Stuttgart spielten, spielten wir von Anfang an gut mit, sehr gut sogar – und hatten auch nach etwas mehr als einer Viertelstunde die erste Riesenchance, doch leider landete Bebous Kracher statt im Tor am Quergestänge und das war dann auch das Ende unserer Herrlichkeit.
Gestern war es genau umgekehrt. Da kamen wir aber mal so gar nicht ins Spiel und mit dem extrem hohen Pressing der Gäste erst recht nicht zurecht. Der Spielaufbau wollte wieder mal so gar nicht klappen, was jetzt aber nicht so die Überraschung war, wenn man sich die Aufstellung anschaute.
Grillitsch und Vogt hinten? Rudy und Stiller in der Startelf? Dagegen fehlte in der Startelf und sogar auf der Bank der, von dem dort Kevin Akpoguma auf der rechten Seite mehr als genug hatte: Raum. Für ihn spielte Skov mal wieder von Anfang an in der Bundesliga, das allerdings defensiv links, was er ja nicht so wirklich mag.
So tat es wenig wunder, dass es bei der Matrix zu enormen Abstimmungsproblemen kam. Das hat aber nichs mit dem Hollywoodstreifen zu tun, sondern der Organisationsform einer Matrixorganisation:
Sie sieht auf dem Papier gut aus, weshalb sie auch in vielen Betrieben umgesetzt wurde. Allerdings ist selbst die Bundeswehr nicht rein linear organisiert, und es bedarf für deren erfolgreiche Umsetzung einem sehr klaren Verständnis dessen, wer wann wofür wem gegenüber das Sagen hat.
Die Mitarbeiter stehen in mehreren Weisungsbeziehungen, z. B. Einkauf / Produktion / Vertrieb. Danach ist einerseits wer dafür zuständig, dass der jeweilige Bereich reibungslos funktioniert und zwar sowohl verrichtungsbezogen (Qualitätsanspruch an Output) als auch objektbezogen (Quantitätsanspruch (Relation von Output und Zeit)).
Da nun aber jeder Mitarbeiter nur einen für ihn letztlich entscheidenden Weisungsbefugten hat, wird er sich an diesem orientieren, um Nachteile für sich persönlich zu vermeiden, auch wenn er dadurch Nachteile für das Gesamte riskiert.
Übertragen auf den Ort, wo die Wahrheit liegt, heißt das: Ein Spieler kann sich klar an die Vorgaben seines Trainers halten, andererseits aber auch auf seinen senioreren Nebenmann in der jeweiligen Kette bzw. Vorder- bzw. Hintermann in der jeweiligen „Produktionsebene“, sprich: Defensive, Mittelfeld, Offensive. (Naja, und der Torwart sagt ja auch gern was. Und den Kapitän gibt es ja auch noch.), die wiederum ihrerseits Ideen haben, wie das gewünschte Ergebnis erzielt wird.
- Sollte eine solche Eigeninitiative zum Nachteil (schlimmstenfalls Gegentor / Niederlage) führen, ist klar, wen der Trainer intern hierfür verantwortlich machen wird (Nach außen hin ist es eh meist er.)
- Im Falle dessen, dass das eigenmächtige Handeln zum Wunschergebnis führt (Tor / Sieg), wird der Übungsleiter hochwahrscheinlich von der Schuldfrage absehen.
Es sei denn, alle Welt wähnt den Trainer als den Auserwählten, ähnelt Keanu Reeves ein wenig und heißt Pep Guardiola.
Eine Unterscheidung zwischen verrichtungs- und objektbezogen findet heute kaum mehr statt. Aber auch rein lineare Strukturen gibt es heute nur noch selten, da diese oft zu Entscheidungsengpässen führt („Flaschenhals“) bzw. …
… auf Fußball bezogen: Es gibt nur einen zentralen Spieler, der allein für den Spielaufbau insbesondere das Angriffsspiel ist, was vor allem zwei Nachteile hat: Die Mitspieler leben den falschen TEAM-Gedanken („Toll, ein anderer macht’s!“), der Gegner muss nur diesen einen Spieler zustellen und schon sieht es schlecht aus.
So geschehen und gesehen und oben schon beschrieben: das hohe Pressing der Gäste, was vor allem Baumann unter Druck setzte, so dass man anfangs just jenes vermehrt sah, was Kevin Vogt nach dem Pokalspiel am Dienstag so lobend erwähnt hatte, dass man in jenem Spiel fast ohne auskam: lange Bälle.
Und diese Baumannlanghölzer kamen weder beim Mitspieler an, noch beim immerhin nur quantitativ spärlich in Erscheinung getretenen Publikum. Dafür eben unser Tabellennachbar zu seiner ersten und einer echten Riesenchance, die Baumann allerdings mit einer Riesenparade zunichte machen konnte.
Das war’s – von unseren Gästen. Danach spielten nur noch wir, wenngleich von hinten immer noch nicht super souverän raus. Aber nachdem Posch nach einer Weile auch erkannte, dass er den Ball nicht immer mit einem Vorsah-Gedächtnispass nach links dreschen musste, wo Skov und Kramaric ohnehin immer zugestellt waren, sondern den rechts vor ihm meist recht freistehenden Akpoguma entdeckte, entwickelte sich ein nicht nur breiteres, sondern auch weitaus besseres Spiel.
Akpoguma fremdelte anfänglich etwas mit dem Spielgerät, aber auch das wurde besser – und das Beste war, er sorgte damit für Platz auf links, wo im weiteren Verlauf jeder Ball landete. Dabei setzte vor allem Bebou auf Spezialeffekte.
Sein Hakentrick sowie in dessen Anschluss sein „no contact assist“ vor dem 1:0 sahen zwar auf den ersten Blick bei – und vor allem: von weitem nicht so spektakulär aus wie die Spezialeffekte aus dem Film „Matrix“, …
… insbesondere jener „Bullet Time“ ® – in der Tat ist dieser Effekt ein eingetragenes Markenzeichen von Warner Bros., dem Distributor des Film „Matrix“ –, …
… aber sie verfehlten ihre Wirkung nicht. Letztlich wusste sich Kramaric in Szene zu setzen, als er den Ball durch diverse Gästebeine ins Gästetor brachte.
Kurz darauf war es wieder Bebou, der den Ball auf final links brachte, wo Skov voll aufs Tor drosch und dieses ebenfalls nicht verfehlte. Der Ball knallte an den Pfosten, prallte zurück und diesmal war es Rudy, der ihn reinmachte. 2:0.
Und das war’s dann – eigentlich auch von unserer Mannschaft. Wirklich: Man hätte da schon aufhören können, denn von den Herthanern kam spielerisch und kämpferisch absolut nichts mehr.
Aber es gibt halt Regeln und Verträge und die sind einzuhalten. Da macht das Fußballgeschäft keinen Unterschied zum Filmgeschäft. Wie auch bei der zur Trilogie aufgeblasenen Matrix-Serie hätte der eine Durchgang völlig gereicht. Danach gab es wenig Neues. Es fehlten Überraschung, Klarheit sowie der deutlich erkennbare Wille, noch etwas Besonderes zu schaffen. Vielmehr war man auch gar nicht so mal so zu Unrecht recht zufrieden mit dem, was man in Teil 1 gemacht hatte, zumal das Ergebnis stimmte. Aber man zieht es halt durch.
Leider nahm das ein Berliner Verteidiger gegen Stiller damit zu wörtlich. Beide mussten danach runter, der eine wegen Prellung, der andere wegen Platzverweis. Doch unserem Spieler erging es zum Glück wie dem Spiel im weiteren Verlauf: nichts passiert.
(wie auch in „Matrix“ eigentlich. Anmerkung Chefred.)
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Dafür könnte jetzt was passieren … und erst recht in Bochum. Noch ein Sieg würde uns doch schon wieder an die Top-Plätze in der Liga ran- und im Heimspiel drauf die Plätze womöglich vollbringen. Das wäre wie der Sieg gestern hochverdient.
In einer idealen Welt. Aber die gibt es nicht – oder wenn, dann, laut Cypher nur in der Matrix.
“Weißt du, ich weiß, dass es dieses Steak nicht gibt. Sobald ich es mir in den Mund stecke, weiß ich das. Die Matrix macht dann meinen Gehirn klar, dass es saftig und schmackhaft ist. Und nach neun Jahren … Weißt du, was mir da klar wurde? Unwissenheit ist ein Segen.“
Mit diesen Worten begründete der Charakter seinen Betrug an seinen Freunden sowie die Rückkehr in die Matrix. Da findet er bestimmt auch viele fiktionale wie digitale Hoffenheim-Fans, die sich ja ohnehin gerne irgendwelchen Illusionen hingeben.
Wir träumen lieber … weiter … und freuen uns … auf die ganz reale Reise nach und dann wünschenswerterweise durch Europa. 1. Station unserer 1. akademischen Bus-Tour – und dafür nehmen wir, auch wenn wir diesbezüglich schon ganz aufgeregt und angespannt sind, keinen – und das ist die letzte cineastische Anspielung – Lewton-Bus: Bochum.
(Aktuell noch drei Plätze frei.) 🙂
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