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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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1899 Hoffenheim vs. Hamburger SV

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Glück im Pech

Erkenntnisse gewonnen, Punkte verloren, Zuversicht gesteigert.

Die Zeiten ändern sich. Auch wenn die großen Widersacher modernen Fußballs das Rad der Entwicklung gerne zurückdrehen würden, bis ins Mittelalter will wohl niemand, obwohl es auch hier nicht uninteressante Parallelen gibt.

  • Auch damals gab es die Taktik der hohen, sogar sehr hohen Verteidigung.
  • Auch damals sah man darin das probateste Mittel, um sich massiven Angriffen von Gegnern erfolgreich zu erwehren.
  • Auch damals brauchte es dafür spezielle Rückstände.
  • Und Geld, denn das war die Grundlage, um die hierfür nötige Masse zu generieren: Pech.

So (und nur so) gesehen war Pechhaben ein Privileg der Reichen, um sich all das zu leisten, dessen es bedurfte: die richtigen Hölzer und andere organische Stoffe, die richtigen Öfen, die bei der richtigen Temperatur eben jene braunen bis schwarzen, teerartigen und bituminösen, zähflüssigen bis festen, schmelzbaren Destillate generierte, die man dann von hohen Burgen Zinnen auf die Angreifer kippen konnte, um sie vom Schutzwall abprallen zu lassen und vom eigenen Tor fernzuhalten. Wer also im ursprünglichen Sinne Pech hatte, hatte es gut.

Nur Überflieger nicht, weshalb „Pech haben“ heute auch genau die entgegengesetzte Bedeutung hat. Denn Pech nutzte man nicht nur zum Abdichten z. B. von Fässern, sondern auch bei der Jagd. Man bestrich Baumäste damit, auf dass die Masse sich im Gefieder von Vögeln verfing, sodass man sie leichter fangen konnte. Daher kommt auch der Ausdruck „Pechvogel“.

Auch wenn uns gerade die Farbe des Schuhwerks von Kramaric nicht präsent ist, aber die Anzahl an Top-Chancen, die er vergab, lässt nur den Schluss „Schwarz“ zu, denn ihm klebte definitiv das Pech an den Schuhen. Zugegeben, einige Chancen vergab er eher kläglich, bei anderen wollte er es zu gut machen, bei anderen war halt noch ein Gegner im Weg.

Sollten es wirklich schwarze Schuhe sein, sollte man es vielleicht mal mit einer anderen Farbe versuchen, denn sein Sturmpartner, der auch sonst eher auf dem Platz eine schillernde Figur abgibt, war in puncto Chancenverwertung nicht wesentlich überzeugender, aber immerhin gelang es ihm, seinen Neonschlappen kurz vor der Halbzeit so an den Ball zu bringen, dass der über die Torlinie ging. Das war der heißersehnte und in Anbetracht der Dominanz in der ersten Hälfte der ersten Hälfte sowie der Vielzahl der (vergebenen) Chancen fast schon nicht mehr möglich erachtete Ausgleichstreffer.

(Inzwischen wissen wir: Sie waren überwiegend weiß. Vielleicht ist die Farbe der Unschuld auch nicht gerade die beste Farbe für einen Torjäger.)

Allein das war für viele der sehr zuversichtlichen Hoffenheim-Fans in der fast ausverkauften RHEINECKARENA ein Schock, als der in den Medien in den letzten Wochen zum hochstilisierten HSV (Hohn-und-Spott-Verein) plötzlich, aber zu dem Zeitpunkt gar nicht mal so überraschend mit 1:0 in Führung ging.

Das Problem war eindeutig die verletzungsbedingte Auswechslung (nein, nicht: Berti, sondern Kevin) Vogts. Mit ihm verließ nicht nur der Stabilitätsfaktor der Dreierreihe das Feld, sondern auch die Sicherheit unsere Mannschaft: Der Spielaufbau wurde samt Passspiel schlampiger, das Spiel ohne Ball kam zum Erliegen und so die Gäste so langsam, aber immer sicherer ins Spiel.

Die abnehmende Sicherheit führte dazu, dass wir dem Gegner nicht nur in die Karten, sondern auch noch den Ball in die Füße spielten. So reichte ihnen ein Tempo-Gegenstoß zur Führung, auch wenn da unsererseits ein bisschen Pech dabei war, denn der Ball passte wirklich nur gerade so durch Baumanns Beine.

Nicht alle Rückstände sind Pech, aber Pech resultiert immer aus Rückständen (– hö, hö). Das hatten wir ja schon einleitend erwähnt. Und diesen machten wir wett – mit Einsatz, Willen und auch ein bisschen Glück.

Glück wird ja gerne als das Gegenteil von Pech angesehen, was wohl vor allem daran liegt, dass neben Teer und Bitumen auch „Unglück“ als Synonym für Pech verwendet wird.

Wer jetzt denkt, das sei logisch, weil „Un-“ immer das Gegenteil des Ausgangswortes darstelle, den verschonen wir hier von einer längeren Ausführung zu Logik und Semantik, aber möchten gerne auf „Kosten“ und „Tiefe“ als Ausgangsworte verweisen – und letzteres zudem als Übergang zum Einstieg in die zweite Hälfte nutzen, denn es war ein grandioser Pass von Rudy in eben jene des Platzes, der das 2:1 einleitete.

Das war das Sahnstück des Spiels. Hart und präzise in den unnachahmlichen Lauf von Kaderabek, der von der Grundlinie in den Rücken der Abwehr eine Flanke (erst denkt man: ver-)zieht, die nicht bei dem im Fünfer bereitstehenden, aber auch von zwei Abwehrspielern bewachten Kramaric landete, sondern im Rückraum, den Zuber just so erstürmte, dass er den Ball direkt nehmen und im Netz versenken konnte – zugegeben mit Glück, was immer das ist.

Glück hat nämlich viele Facetten – und ursprünglich hatte es eine juristische Bedeutung. Mit „G(e)lücke“ war nämlich ein Beschluss, eine Festsetzung gemeint. Daraus entwickelte sich dann der positive Aspekt des „guten Ausgangs“ und seine heutige philosophische Bedeutung des Schicksalhaften.

Die Vielfalt der Bedeutung des Wortes offenbarte sich Sekundenbruchteile, nachdem Zuber den Ball traf. So hatte er Glück, dass der Gästetorwart den Ball nicht parieren konnte – und alle TSG-Spieler und –Fans empfanden Glück, dass wir das Spiel gedreht hatten.

Dabei wiederum ist „Glück haben“ objektiv Ausdruck eines bloßen Zufalls mit gutem Ausgang. Das kann ein Lottogewinn sein oder aber so ein Tor.

Dagegen ist die Empfindung von Glück subjektiv und kann sich entsprechend unterschiedlich darstellen, was sich meist am Zeitraum festmacht. Zu den Glücksempfindungen kurzer Zeitdauer zählen Dinge wie ein Abend mit Freunden, Sex oder eben ein solcher Treffer. Aber es kann auch ein dauerhaftes Gefühl sein, zum Beispiel, ein gutes Leben führen zu können.

Und so falsch es einleitend war zu sagen: „Pechhaben sei ein Privileg der Reichen“, so falsch ist die gerade in Intellektuellenkreisen nicht seltene Behauptung „Glück sei ein Privileg der Dummen“. Damit beziehen sie sich womöglich latent auf die Bergpredigt, wo Jesus ja Bezug auf die „geistig Armen“ nimmt und sie als „selig“ (aber halt nicht „glücklich“ bezeichnet), aber prinzipiell meinen sie, dass es den aus ihrer Sicht weniger Gebildeten an der Fähigkeit mangelt, die Komplexität des Lebens zu erfassen und dabei zu erkennen, dass letztlich entweder alles schlecht ist oder zumindest alles schlecht enden wird.

Vielleicht nicht richtiger, aber zumindest lustiger – und auf die Partie bezogen zutreffender ist das Aperçu „Ein Pessimist ist ein Optimist mit mehr Erfahrung.“

Und das Spiel ist ein Beweis dafür, dass die Intellektuellen mit ihrer oben erwähnten Behauptung nicht Recht haben, denn danach hätten wir das Spiel gewinnen müssen. Taten wir aber nicht. Nicht, weil wir Pech hatten, sondern weil wir neben mutlos, unkonzentriert, unfokussiert, vor allem dumm waren.

Statt das Spiel wie zu Beginn der zweiten Halbzeit fortzuführen, spielte unsere mit dem Spielaufbau sichtlich überforderte Abwehr die Bälle immer wieder in die Bereiche, die der HSV eng gestellt hat, statt die Breite des Spielfeldes zu nutzen. Warum insbesondere Süle den hochmotivierten und engagierten Kadarabek fast die komplette Spieldauer über nicht angespielt hat und statt dessen sein Heil in Vorsah-Gedächtnispässen suchte, war dum unverständlich.

Sein Fehlpass leitete dann auch die Kopie des Führungstreffers ein. Wieder ein Tempogegenstoß, wieder rutschte der Ball wem durch die Beine (diesmal einem Verteidiger) und wieder hatte selbst der torungefährliche HSV kein Problem damit, den Ball über Baumann und Linie zu bringen – und das Spiel über die Zeit.

Zwar hatten wir noch nach dem Ausgleich mehrere Hundertprozentige, aber auch die zu verwerten waren wir zu du unkonz dumm, sodass wir trotz zweier Tore zwei Punkte gegen den Tabellenletzten verloren.

Man war wohl auf den Rängen doch etwas zu zuversichtlich, zu hoch- und zu wenig demütig. Oder hat einfach den Gästetrainer unterschätzt, dem es wider allen Erwartungen gelang, eine Mannschaft zusammenzustellen, die auch als eine solche auftrat. Dennoch muss man sich nun vor diesem hier üblichen, fast schon mittelalterlichen Reflex hüten, die Nähe des Endes zu sehen.

Es zeigte sich zwar, dass wir wie schon in den Partien wie gegen Leipzig und Darmstadt aus dieser sowie unzähligen Spielen in den vorangegangenen Spielzeiten, dass wir oftmals immer noch unbeschlagen sind. Aber halt auch ungeschlagen. Den Abstand auf die Bayern konnten wir auch um einen Punkt verkürzen. Also ist faktisch nicht alles so schlecht, wie es sich nach dem Spiel anfühlt.

Zudem dürften sowohl wir als auch die Spieler nicht wenig gelernt haben. So gesehen und in Anbetracht des alles andere als leichten Restprogramms 2016 sowie des Umstands, dass die Mannschaft nun bis Weihnachten nicht mehr durch unsinnige Länderspiele auseinandergerissen wird, war dieses Unentschieden vielleicht das beste, was uns jetzt so passieren konnte: Glück im Pech.

Wir als Fans bleiben jedenfalls nun aufgrund der Anzahl an Böcken mehr denn je zuversichtlich – und unsere TSG oben dran …

P.S.: Sollte es den Hatern des modernen Fußballs gelingen, das Mittelalter auszurufen, plädieren wir hiermit eingedenk des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation nach der Partie zur Ausrufung des Chancenreiches Hoffenheim – und bewerben uns hiermit offiziell um die Stelle der Hofnarren.

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