1899 Hoffenheim vs. Borussia Dortmund
Verdammt?
Kein Bischof. Kein Fußballgott. Keine Erlösung.
Gestern war es voll auf dem Platz. Und auch um den Platz saßen und standen die Menschen dicht an dicht, um diesem Spektakel beizuwohnen. Und es gab da auf dem Platz gut und gerne hundert derer, die man ebenso adressiert, wie den, der uns auf dem Platz in 863,12 Kilometer Luftlinie Entfernung vom Petersplatz fehlte: Bischof.
Doch ganz gleich, wie man „Bischof“ nun sieht, ob nun als Titel-, geistiger Würden- oder irdischer Namensträger, allen gemein ist, dass er so etwas wie ein Aufseher, Hüter oder Beschützer ist – und ohne einen solchen … kann man schon mal den Glauben verlieren – und ohne den Fußballgott auch ein solches Spiel. Was werden wir dieses Jahr brutal abgestraft! Es war ein allen Belangen verdammtes Spiel.
Diese Verdammung dämmerte einem so nach und nach.
Gewiss hatte man sich seitens der TSG zu Beginn der Saison keine Gedanken darüber gemacht, inwieweit und wie stark das Handeln den Fußballgott verärgern könnte – oder gar zu unserer Verdammnis führen könnte. Dabei lässt die Bibel da ja keinen Zweifel zu: Wer schwer gegen Gottes Gebote sündigt und ohne Reue stirbt, wird verdammt. Und die Folge der Verdammung ist Leiden und Qual, die ewige Strafe in der Hölle, die im Neuen Testament beschrieben wird, ohne die PreZero-Arena explizit zu benennen, als „Ort des Heulens und Zähneknirschens“ (Mt. 8,12).
Doch im Laufe der Saison wurde das unverkennbar und je näher der Tag des Jüngsten Gerichts 2024/2025 rückt, desto deutlicher wird der Groll des Fußballgotts.
Schon bei der Spieltagerstellung ward die Falle zu erkennen: zwei Auswärtsspiele hintereinander vor dem letzten Spieltag. Und spätestens bei der Fixierung der Anstoßzeiten des vorletzten Heimspiels erkannte man:
„Verdammt!“
Die Spieltagsplaner sorgten nämlich dafür, dass ausgerechnet an Dietmar Hopps Geburtstag die Dortmunder Borussen in seinem und unserem Wohnzimmer zu Gast waren. Klugerweise war es nicht, obwohl man sich natürlich fragen muss, ob es für ihn wirklich angenehmer war, sich, falls er das Spiel überhaupt wo sah, diesen Pisspottkommentator auf Sky anzutun.
Am Vorabend des Spiels, den sie uns ja auch hätten zuteilen können, wurde der bis dahin nur flüchtige Fluch deutlicher:
„Verdammt!“
Trifft da doch der Verein, den wir in der letzten Saison zum Vizemeister machten, auf seinen auf dem Relegationsplatz stehenden Albnachbarn zu Hause, aber trotz unzähliger Chancen das Tor nicht. Dafür tut der Gast genau das in der letzten Minute mit seinem im Grunde einzigen Torschuss während der gesamten Partie.
War da der Fußballgott schon zu den am Folgetag anberaumten Beerdigungsfeierlichkeiten von Papst Franziskus abgereist? Könnte gewesen sein. Der letzte Flieger von Stuttgart nach Rom geht freitags um 19.10 Uhr. Aber fliegt der Fußballgott Eurowings?
Eine Stunde vor Spielbeginn erneutes Raunen und Erstaunen:
„Verdammt!“
Was stellt denn der Ilzer da auf? Immerhin begann er diesmal mit Hlozek statt Tabakovic, aber mit Bischof fehlt das spielerische und kreative Moment in unserer Offensive, was macht denn dann da Geiger? Becker ist x-mal ballsicherer und ruhiger an der Kugel sowie y-mal unwahrscheinlicher, nach 15 Minuten vor lauter wieseliger Ungestümtheit verwarnt zu werden. Aber wir erinnern uns an den Titel des vor kurzem erschienen Buches des nun verstorbenen Papstes:
„Verdammt!“
Gendrey konnte wegen eines gebrochenen Schlüsselbeins nicht spielen und wurde durch Kaderabek ersetzt. Aber es war noch keine Minute gespielt, als unserer tschechischen Lok der Dampf ausging. Und als er sich da am Boden krümmte, rang nicht nur er um Atem. Und der schwarze Dämon (Bibel: Teufel, hier: Schiedsrichter) ließ erstmal weiterspielen.
Doch das war sinnbildlich, denn so wie ihm ging es unserer Mannschaft zu Beginn des Spiels: sie kam kaum zum Luftholen. Sie sind zusammen viel gelaufen, aber es lief kaum was zusammen. Dafür dann einmal die Gäste steil und schon war der Ball im Netz. Aber auch die Fahne des Linienrichters oben. Doch seine Abseitsentscheidung wurde vom VAR einkassiert – und als Beweis für die Richtigkeit dieser Entscheidung dieses Bild angeboten:
„Verdammt!“
Im Stadion glaubte man der Entscheidung. Vor dem Fernseher war die Verwunderung groß: Es war uns völlig neu, dass man auch Tore mit dem Oberarm erzielen darf. Aber wahrscheinlich würde auch die Hand zählen, schließlich würde ein Tor ja auch gegeben, wenn ein verteidigender Spieler einen Ball mit seinen Fingern ins eigene Tor lenken würde.
Als der schwarze Dämon die Entscheidung bekanntgab, rannte der Torschütze, der sich bereits hinter der Mittellinie befand, erstmal wieder in die Hälfte der Hoffenheimer und jubelte vor der Südkurve. Klares Zeitspiel. Doch der Schwarze ließ die Gelbe stecken.
„Verdammt!“
Akpoguma humpelt. „Leg‘ dich hin, Kerle!“, schreit man ins Nichts, aber es dauert noch eine ganze Weile, bis man auf unserer Bank der Meinung ist, dass Nsoki jetzt warm genug sei, um ihn zu ersetzen. Dabei hatte er sich vor gerade einmal dreißig Minuten komplett warm gemacht. Egal, ist ja Gott sei Dank nichts weiter passiert. Trotzdem …
„Verdammt!“
Wieder lagen wir zurück, aber es war ja noch einiges an Zeit zu spielen, aber unser Team tat das nicht wirklich. Es rannte zwar viel, aber halt meist hinterher. Es gab viele Fouls, und wenn die im Strafraum passieren, gibt es nun mal Strafstoß.
„Verdammt!“
genauer: Verdammt geil, dass und wie Oli den Elfer hielt, nämlich fest – und plötzlich wurde auch das Spiel unserer Mannschaft eines. Plötzlich war sie wach und spielte auch zusammen.
„Verdammt!“
So einer schöner Spielzug von unseren Defensiven: Nsoki auf Kaderabek, der auf Hlozek, der knallt drauf und den Ball auch rein. Aber leider ist auch die Fahne oben, weil Pavel eine halbe Achse bei Stanleys Ballabgabe zu nah an der Grundlinie stand. Aber:
„Verdammt! …
… Da geht noch was!“ machte man sich zur Halbzeit Mut – und sofort nach Wiederanpfiff skandierte die Süd den Titel des Papst-Buches. Ja, der Glaube war da, und er wurde auch durch die Mannschaft genährt, die ebenfalls an sich und ihre Chance glaubte. Und in der 61. Minute auch nutzte …
„Verdammt! …
… Drin das Ding!“ Wieder Hlozek, aber diesmal zählte es. Er nahm eine Flanke in bester Götzemanier 2014 an und netzte mindestens ebenso elegant ein.
„Verdammt! …
Rund eine Viertelstunde später signalisierte Geiger beim Zurücklaufen (-traben?) der Bank, dass er ausgetauscht werden möchte. Dann richtete er wieder den Fokus aufs Spiel, bekommt den Ball von Nsoki, aber nicht unter Kontrolle, weil er ihm auch nicht entgegenrennt (bestenfalls: -trabt). Das Spielgerät landete bei den Gästen, die mit ihrem ersten Torschuss im zweiten Durchgang wieder in Führung gehen.
„Verdammt!“
„Verdammt!“
„Verdammt!“
„Verdammt!“
„Verdammt!“
„Verdammt!“
Wen wechselt denn der Ilzer jetzt ein? Warum Tohumcu? In so einer Situation. Warum nicht Becker? Vielleicht dachte er sich: Wiesel gegen Wiesel? Es gab aber in den bisher gespielten Minuten kein Indiz dafür, dass diese wuselige Wieselei irgendwas Positives gebracht hätte. Unserem Spiel fehlte ein Aufseher, Hüter bzw. Beschützer im Mittelfeld, und wenn Bischof selbst schon nicht spielen kann, dann wenigstens einer wie er – und Tohumcu ist das nicht.
„Verdammt!“
Die 90 Minuten sind rum. „Das darf doch nicht wahr sein!“, denkt man sich so, aber motiviert sich – und betet mantramäßig den Papstbuchtitel in seinem Kopf runter. Und plötzlich steigt der Ball von Juraseks Fuß hoch über den Fünfer, an dessen Ende Kaderabek hoch. Drin! 2:2. „Das darf doch nicht wahr sein!“ jubelt man.
„Verdammt!
Das darf doch nicht wahr sein!“ Der Dämon waltet seiner Bestimmung und gibt das Tor, nachdem die Dortmunder ins selbige leere getroffen haben, nachdem einer der ihren zuvor unseren Keeper mit einem MMA-würdigen Kniestoß an die Stirn ausgeknockt hatte, ohne den Ball berührt zu haben.
Ja, es gibt unglückliche Zusammenstöße, aber halt seit über zehn Jahren das Protokoll „Kopfverletzungen“ der DFL.
Darin heißt es: „Besteht der Verdacht auf eine Kopfverletzung (z. B. Gehirnerschütterung), unterbricht der/die Schiedsrichter/-in das Spiel, damit der verletzte Spieler von dem/der Mannschaftsarzt/-ärztin untersucht werden kann.“
Beispiel könnte aber auch sein, weil auch vom medizinischen Laien einfacher diagnostizierbar: blutende Stirn und Beule. Aber explizit erwähnt ist das nicht (auch nicht als Beispiel). Und in dem Protokoll steht auch nichts von „sofort“.
Vielleicht gibt es intern noch eine Toleranzzeit, z. B. „solange noch der/die verletzte Spieler/in Vitalfunktionen aufweist, besteht kein akuter Handlungsbedarf.“ Oder andere Variablen, die unterschiedliche Bewertungen zu lassen, z. B. Treffer durch Knie von vorn („Tor“) oder Feuerzeug von hinten („2:0 qua Sportgerichtsurteil“).
Aber zumindest gab es eine Toleranzzeit, was die Entscheidungsfindung angeht, denn Oli Baumann wurde lange behandelt.
Massig Zeit für die Pfeife sich zu überlegen, was dieser rote Fleck da auf der Stirn unseres Torhüters wohl sein könnte und woher diese plötzliche Erhöhung der Haut kommt sowie deren bläulich-grünliche Umrandung. Aber die nutzte er weder dafür noch zum Gang an den Monitor. Statt dessen kommunizierte er ein wenig mit dem VAR und gab den Treffer. Danach lag Oli noch locker zwei Minuten.
Dass der Scheidsrichter (Ja, Rechtschreibfehler – statt „ds“ müsste da ein „ß“ stehen) danach noch wild mit seinen Karten gestikulierte, inkl. einer roten gegen den Mannschaftsarzt (Wegen? Amtsanmaßung?) zeigt doch sehr, wie brandgefährlich autoritäre Autoritäten sind.
Schlusspfiff!
„Verdammt!“
Verloren. Nur noch 5 Punkte Vorsprung und zwei Auswärtsspiele vor der Brust und das letzte Heimspiel gegen den Rekordmeister.
Verdammt, …
… wie kriegt man diese verdammte Verdammnis los, damit wir am Jüngsten Gericht nicht gerichtet werden? Durch einen Dreier – entweder in mindestens einem der verbleibenden drei Spiele oder durch „Buße, Ablass und gute Werke“. Am besten beides zusammen.
Und das Wichtigste ist Buße. Ja, Demut gehört bei der TSG leider nicht zur DNA, aber die braucht es unbedingt. Und eben Reue, also Einsicht und der unbedingte Wille, Besserung zu geloben, denn ohne echte Reue gibt es keine Vergebung, und die Gefahr bleibt bestehen, verdammt zu bleiben.
Verdammt!
Es kann doch nicht so schwer sein, Glauben und Werke in Einklang zu bringen, also die Harmonie zurückzubringen. Das hat nichts mit Komfortzone zu tun, sondern Respekt und ein Miteinander zum Wohle und dem Erfolg aller. Schwarze Dämonen sind da nicht hilfreich. Graue Eminenzen auch nicht. Doch von ihnen scheint sich die TSG ja mehr und mehr zu verabschieden. Ein sehr guter Anfang. Hoffentlich rechtzeitig vor dem …
… Ende.
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