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1899 Hoffenheim vs. Bayern München

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Sprachlos.

Über falsche und gute Freunde …

Nachvollziehbarerweise dreht sich nach dem Spiel des FC Bayern München bei der TSG so gut wie nichts um das Spiel. Die Szenen im Bayernblock sorgten von Anpfiff an für große Irritationen. Die Aufstellung der zahlreichen Doppelhalter, was zuerst wie eine beeindruckende Choreo aussah, war nichts weiter als eine Tarnung für eine erste Pyro-Aktion. Derer sollten noch mehrere und Schlimmeres folgen, was letztlich zu einer Situation geführt hat, die mit „Scheiße“ geradezu wohlfeil umschrieben ist.

Im Fußball sollte es um Fußball gehen – und deshalb wollen wir uns jetzt diesem, auch wenn es schwerfällt, zuwenden. Dazu ist auch schon ein erstes Wort gefallen: die Aufstellung.

Sie warf Fragen auf:

  • Warum spielte statt des körperlich robusten und schnellen Kaderabek Rudy rechts hinten?
  • Warum spielte Larsen und nicht der wiedergenesene und technisch versierteste Angreifer Kramaric von Anfang an?
  • Und als Schreuder den dann bereits nach 30 Minuten auswechselte, warum wechselte er für ihn mit Ribeiro als Erstes den Spieler ein, den er noch nicht fit genug für die Startelf fand?
  • Überhaupt: Warum wechselte er Larsen aus? Das Problem war ja nicht der Angriff, schließlich stand es zu diesem Zeitpunkt, genauer: seit der 15. Minute (!) schon 0:3 (!!!) für die Gäste.

0:1 nach weniger als zwei Minuten, weil unser Sechzehner am eigenen Sechzehner meinte, Bälle entspannt zu einem Mitspieler an der Seitenauslinie chippen zu müssen, wo der sofort zugestellt wurde, so dass er (Larsen) den Ball auch kaum mehr hätte wegdreschen können. Dass in der Folge Baumann den Schuss Gnabrys, der wahrscheinlich Höhe Eckfahne ins Seitenaus gegangen wäre, doof ans Knie bekam, wovon er dann in die Maschen ging, wirkte zu dem Zeitpunkt noch wie Pech. Doch diese Situation war nur der Auftakt von unzähligen Aktionen unserer Mannschaft, die wie ein Ausdruck von Unglück schienen, aber sich als Ausdruck fast von Unfähigkeit darstellten.

0:2 nach 7 Minuten. Auch da pingpongte der Ball nur so durch den Strafraum, keiner unserer Verteidiger bekam ihn weg, zuletzt landete er flach mittig bei Kimmich, der ihn von der Strafraumkante problemlos platziert ins Eck schießen konnte.

0:3 nach einer Viertelstunde für alle, denen der Gegentreffer zuvor zu weiträumig war. Diesmal kamen mehrere unserer Verteidiger gegen einen Einzelnen am Fünfmeterraum nicht an den Ball. Er schon, und er schob ihn ein.

Fassungslosigkeit allenthalben.

Nicht nur, dass die Aufstellung verwunderte. Die Einstellung verschlug einem die Sprache.

Gibt es aber genau mit der Probleme?

Das Deutsche und das Niederländische sind sich bekanntermaßen sehr ähnlich, noch ähnlicher als beispielsweise das Deutsche und das Englische, wo es ja auch schon viele sogenannte „falsche Freunde“ gibt, also Worte, die einen aufgrund ihrer Ähnlichkeit vermuten lassen, dass sie in der einen wie das andere Sprache dasselbe bedeuten, z. B. „become“, was bekanntlich nicht „bekommen“, sondern „werden“ heißt, was du, geneigte/r Leser/in ja noch bestens aus deinem Englischunterricht in der Schule kennst („I become a schnitzel.“), oder auch „sensible“, was schön wäre, wenn es alle Fußballfans wären. (Nein, nicht „mimimi“ oder „sensibel“ (das heißt „sensitive“), sondern „vernünftig“.)

Im Niederländischen gibt es das ja auch – und die sind noch irritierender. So heißt „nuttig“ eben nicht jenes, sondern „nützlich“, „lekker“ hat nichts mit gustatorischem, sondern optischem Genuss zu tun („schön“) und in den Niederlanden sind „borsten“ nicht der entscheidende Teil zur Funktionserfüllung von Reinigungsgeräten, sondern „Brüste“. (Und nun viel Spaß beim Übersetzen des Satzes „Es ist nützlich, schöne Brüste zu haben.“)

— Ruft da wer, dass man in Anbetracht der Geschehnisse gen Ende des Spiels keine Scherze machen dürfe? Noch darf man – und muss man auch, ebenso wie den Blick nicht vom Sportlichen wenden. Denn täten wir das, würden wir uns von diesen Menschen diktieren lassen, worüber wir wie zu reden hätten. Es war schlimm, es war beschämend, was da die letzten 15-20 Minuten passiert ist. Ja, absolut korrekt. Es war aber auch schlimm und beschämend, was unsere Mannschaft bis dahin sportlich an den Tag legte. Und darum soll es jetzt hier gehen – mit den uns üblichen thematischen Ausflügen. OK? Danke. Weiter … —

Eine Sache, die Herr Schreuder ja immer wieder kundtut, ist, dass wir mutig spielen wollen. Das ist gut, das ist schön, so wollen wir das. Aber es gibt einen Unterschied zwischen „mutig“ und „fahrlässig“ und vor allem „doof“. Aber, wie gesagt, vielleicht liegt da ein sprachliches Problem in Form „falscher Freunde“ vor.

mutig“ heißt im Niederländischen unter anderem „moedig“. Das wäre kein so falscher Freund. Allerdings gibt es für das Adjektiv auch ein anderes Wort, das unter anderem in der niederländischen Übersetzung der deutschen Redewendung „Den Mutigen gehört die Welt!“ Verwendung findet: „Het geluk helpt de dapperen!

Das jetzt würden gewiss viele auch ganz anders rückübersetzen, zumal es im Deutschen ja auch eine ähnlich klingende Redewendung gibt: „Das Glück ist mit den Dummen.“ „dapper“ aber hat nichts mit „dabbert“, „debbert“ o. Ä. zu tun, sondern heißt (nebst „mutig“ auch) „tapfer“.

Sagt er ihnen etwa, sie sollen tapfer spielen?

Das könnte so manches erklären … Zum Beispiel das 0:4, wo unsere Hintermannschaft, wieder auf Rudys Seite, den Ball nicht klären konnte, sondern ihn so oft zu einem Gegenspieler brachte, bis einer von ihnen aufs Tor schoss. Dass auch dieser Ball abgefälscht wurde, bevor er im Tor landete, könnte man bestenfalls als Ausdruck unserer Intelligenz werten – im Umkehrschluss der Redewendung, mit wem das Glück ist.

Die Pfiffe zur Halbzeit waren diesmal also mehr als verständlich. Es blieb also die Hoffnung auf Schadensbegrenzung in der 2. Halbzeit, denn diese desolate Leistung ließ eine zweistellige Niederlage befürchten. (In einer üblen Vorahnung dessen, was sportlich passieren könnte, wurde zu dem Zeitpunkt rein aus Galgenhumor mit Spielabbruch geliebäugelt. Aber wieder einmal bewies sich, dass man den Rat der Altvorderen beherzigen sollte („Man treibt nicht mit Entsetzen Scherz“).

Diese Furcht wurde aber leider durch das sehr frühe 0:5 bestärkt. Der erste Treffer der Bayern nach Wiederanpfiff fiel noch schneller und aufgrund eines noch größeren Bocks als der zu Beginn des Spiels. Hübner passte den Ball grundlos perfekt in die Füße eines Bayernspielers, der diesen nur noch querspielen und sein Mitspieler ihn einschieben musste.

Da war dann auch die Wirkung verpufft, die sich das Trainerteam wohl von der Einwechslung Kramarics für Zuber (und der damit einhergehenden Umstellung von Skov auf die Verteidigerposition) erhoffte.

Etwas Hoffnung keimte dann kurz nach rund einer Stunde Spielzeit auf, als Flick Müller vom Platz nahm. Hoffnung, weil er das auch im Pokalspiel tat und wir plötzlich trotz einem Auftritt, der ähnlich mutlos war (ndl. „ontmoedigd“, auch „mit hängenden Schultern“), noch mal ergebnistechnisch rankamen. Diesmal aber nicht. Statt dessen machte Müllers Ersatz Goretzka das halbe Dutzend das, was wir unsere Nase von dem Gekicke hatten: voll.

Doch dann, als man schon dachte, es kann wirklich nicht mehr schlimmer kommen, kam es zum Eklat. Nicht gerade kleine Teile des Gästeblocks ruinierten das Spiel. Nicht nur das „ihrer“ Mannschaft, denn niemand spricht heute über die Galavorstellung der Bayern (wenngleich unter großzügigster Mithilfe der TSG), sondern den Fußball als solchen – fast.

Wegen der wiederholten Schmähungen schickte der Schiedsrichter entsprechend den Regeln beide Mannschaften nach der 2. Spielunterbrechung vom Feld, während die Offiziellen des FC Bayern in die Kurve rannten und ihr Möglichstes versuchten, diese Menschen zu so was wie Besinnung zu bringen. Es dauerte. Und dauerte. Aber letztlich nahmen sie die Banner runter und verhielten sich ruhig, so dass der Schiedsrichter nach einer rund fünfzehnminütigen Pause die Mannschaften wieder aufs Feld führte und das Spiel wieder freigab.

Im Gästeblock wurden derweil wieder die Doppelhalter hochgehalten, was deutlich signalisierte, was wohl als Nächstes kommen dürfte, schließlich begannen alle vorangegangenen Pyroaktionen mit dieser Pseudochoreo.

Womit aber wohl niemand rechnete – und zuallerletzt wohl dieser Teil des Gästeblocks –, war, was dann auf und neben dem Rasen passierte. Zum einen standen auf einmal neben dem Spielfeld auf Höhe der Mittellinie Karl-Heinz Rummenigge und Dietmar Hopp gemeinsam Seit’ an Seit’ gegen die Brigaden sinnbefreit’. Dieses Zeichen der Solidarität wurde sogar noch getoppt durch die 22 Akteure, die sich die weit über zehn Minuten nur noch den Ball hin- und herschoben. Auch Baumann kam mal an den Ball, der ihn dann zum Gegner spielte, der direkt am Strafraum stand und wieder zurückpasste. (Einer Sage nach wollte das auch einmal Sepp Meier machen, aber er traute dem gegnerischen Spieler nicht. Aber das waren andere Zeiten. Das war im Laufe eines normalen Spiels, und das war die Begegnung spätestens zu diesem Zeitpunkt nicht mehr.)

Immerhin gab es ein mutmachendes Schlussbild mit beiden Mannschaften und Repräsentanten vereint um Herrn Hopp vor der Südkurve:

TSGFCB_2020

Nichtsdestotrotz war es eine Begegnung der schlimmen Art. Ja, auch sportlich aus unserer Sicht, aber vielmehr noch gesellschaftlich, denn diese Aktion im Gästeblock war ja nur eine, wie es sie in mehreren Stadien in der 1. und 2. Bundesliga gab, was diesen Sonnabend nicht nur rein kalendarisch zu etwas Besonderem machte (so einen 29. Februar gibt es ja auch nur 97-mal in 400 Jahren :-), sondern zu einem echten Spieltag der Schande.

Einige Fangruppierungen fangen jetzt an zurückzurudern, versuchen, die von ihnen verschuldete Situation, die völlig aus dem Ruder lief, zu relativieren, in der Hoffnung, sie wieder unter Kontrolle zu bekommen. Möge es ihnen gelingen.

Derweil ruhen die Hoffnung der weitaus größeren Gruppe der wahren Fußballfans auf dem FC Bayern München, dass er mit genau jener Härte gegen diese Leute vorgeht, wie es Herr Rummenigge nach dem Schlusspfiff versprach, und dass er damit Erfolg hat. Das könnte nämlich auch andere Vereine dazu motivieren, ähnlich konsequent gegen solche Gruppierungen vorzugehen und Schritte gegen sie einzuleiten, die sie sich, aus welchen Gründen auch immer, bisher zu gehen nicht gewagt haben – und das obwohl ihnen diese Gruppierungen außer Ärger und Geldstrafen nichts bringen.

So gesehen waren die Ereignisse vielleicht sogar, wie der Niederländer sagt, nuttig.

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