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1899 Hoffenheim vs. Hertha BSC

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Blaues Auge

Eine ganze Saison in exakt 90 Minuten

1 Sieg. 2 Tore. 3 Punkte. 4 Millionen Euro.

Das war’s eigentlich, was man Positives zum letzten Spiel der TSG gegen die Berliner Hertha sagen kann. – Sehr, sehr löblich hingegen war die Choreo auf der Südkurve. Schon beeindruckend, was da so wenig Leute mit sehr, sehr viel Herzblut da hinzaubern. Danke von uns an alle, die das vollbracht haben. Zurück zum Spiel … –

Wäre es nicht das letzte Spiel gewesen, wären wir letztlich nicht dank des Sieges doch noch auf Platz 8 gelandet, wäre nicht die vorzeitige Vertragsverlängerung von Kevin Volland bis 2019 schon vor dem Spiel bekannt geworden, vieles würde gewiss weitaus heftiger kritisiert werden.

Wozu? Zu Recht, denn das Spiel war, nun ja, nichts kann man nicht sagen, schließlich haben wir gewonnen und das auch verdient, aber es war sozusagen ein Sinnbild der ganzen Saison: Es wäre mehr, viel mehr drin gewesen – und wir hatten jede Menge Glück.

Nach nicht einmal einer Minute sah Strobl bereits Gelb und das auch nur, weil er das Foul weit genug vom eigenen Gehäuse entfernt beging, so es kein, wie man in der Schweiz und Österreich die „Notbremse“ so schön nennt: „Torraub“ war.

Dem Foul ging ein im wahrsten Sinne des Wortes Ausrutscher unseres Abwehrspielers voraus. Immer wieder verloren unsere Akteure den Halt zum Grün, was den Gästen ganz gute Chancen in den Anfangsminuten ermöglichte, die sie aber allesamt nicht nutzen.

Wir hingegen waren wieder effektiv: erste Chance, die Führung durch Modeste, der den Ball nach dem gar nicht mal so leichten Zuspiel von Firmino gut unter Kontrolle brachte, sich gegen seine Gegenspieler durchsetzte, einem durch die Beine schoss, 1:0.

Das passte zu der zu diesem Zeitpunkt noch wirklich hervorragenden Stimmung im Stadion. Die Zuschauer waren immer noch ganz euphorisiert ob der guten Nachrichten zu Volland und dem Zwischenstand aus Paderborn und den anderen Plätzen, lag da doch der VfB bereits mit 0:1 zurück und auf Platz 18, auf 17 der HSV – und wir eben in Führung.

Danach gab es eine Phase, in der es ganz gut lief, das Spiel sehr gefällig dahinplätscherte, man also immer das Gefühl hatte, dass da nicht anbrennt, aber wirklich warm wurde man mit dem Gekicke auch nicht. Dazu gab es wieder einfach zu viele Abstimmungsfehler und leichtsinnige Ballverluste.

Normalerweise waren das immer die Momente, wo unserer Trainer aufstand und wild gestikulierend Anweisungen gab. Diesmal blieb er sitzen – und zwar das ganze Spiel über.

Auf der Nach-Spiel-Pressekonferenz wurde er gefragt, warum er denn so „defensiv gecoacht“, was einen wirklich verzweifeln lässt, denn das Schöne am Fußball ist ja nicht nur direktes Spiel, sondern auch eine direkte Sprache. Es ist ja in Ordnung, wenn Verantwortliche sind in Hülsen und Phrasen flüchten, um beispielweise Spieler nicht zu kritisieren oder um eine höhere Geldstrafe durch die DFL zu vermeiden, aber warum muss ein Journalist so gequirlt reden und „Ohrenwäscherei“ betreiben?

Wie dem auch sei, Gisdol nahm die Vorlage gerne auf und verwies auf ein Interview, dass er vor dem Spiel dem kicker-Magazin gab, wo er als einen von drei Punkten, die er in der nächsten Saison ändern wolle, mehr „Eigenständigkeit“ der Spieler nannte (Die anderen beiden waren „Trainingsintensität“ und „Taktik“. – Wir haben da auch noch ein paar, aber nicht jetzt …) und er wollte halt mal sehen, wie sie das machen, und er meinte, „sie haben das gut gemacht.“

Er spielte dabei besonders auf die Phase nach dem Ausgleich an, als die Stimmung auch im Stadion bereits kippte wie auch die Spielstände auf den anderen Plätzen und damit Veränderungen in der Tabelle.

Dieser Ausgleich fiel in einer Zeit, als unsere Mannschaft ganz und gar nicht „kickte“, sich nicht am eigenen Spiel berauschte, sondern eher damit betäubte und wo das einzige, was sich aufdrängte, die Wortneuschöpfung war, die das zu beschreiben versuchte, was man da von unserer TSG zu sehen bekam: „Fußballdrian“.

Nach einer Reihe von Fehlern im Aufbau- und (schon geradezu saisontraditionell) im Passspiel landete der Ball nicht ganz unerwartet hinter dem Spieler der Saison beim Online-Voting des Fanverbands Hoffenheim Oliver Baumann, den diesmal dabei keine Schuld bei dem Treffer traf. Abgefälscht.

Gisdol blieb sitzen, während den Gästetrainer nun gar nichts mehr hielt, aber – so gesehen hat Gisdols Plan geklappt – unsere Mannschaft stand und erzielte kurze Zeit darauf durch Firmino, wenngleich auch ein wenig glücklich, die erneute Führung.

Als es also um etwas ging, rissen sich unsere Mannen zusammen und sorgten noch für ein versöhnliches Ende des Spiels wie auch der Saison, wonach es eben just nach dem Ausgleich gar nicht aussah.

Kurzzeitig aber waren wir sogar – und das zum ersten mal in der Saison – auf einem zweistelligen Tabellenplatz. Durch den Sieg aber sicherte sich die Mannschaft immerhin den 8. Tabellenplatz – und damit dem Verein über die kommenden Jahre gerechnet 4 Mio. € Fernsehgelder.

Zudem beendete die Mannschaft damit die Saison einen Platz besser als im Vorjahr – und das mit der gleichen Punktzahl, einem Sieg mehr, aber auch zwei Niederlagen mehr sowie einem schlechteren und deutlich weniger spektakulären Torverhältnis von 49:55 (-6) (Vorjahr: 72:70 (+2)).

Diese Zahlen geben schon einen Hinweis darauf, wie seltsam diese Saison insgesamt verlief. Bei vielen Mannschaften verliefen Hin- und Rückrunde extrem unterschiedlich. Und auch bei uns folgte auf eine ganz respektable Hin-, eine wenig schmeichelhafte Rückrunde, bei der wir rein tabellarisch doppelt so schlecht platziert waren wie zu Beginn der Saison.

In dieser Teiltabelle landeten wir mit nur 18 Punkten auf Platz 14 punktgleich mit dem HSV auf 15. Dahinter dann unser gestriger Gegner mit 17 Punkten. Da die beiden die Saison auch genau auf diesen Plätzen, allerdings in umgekehrter Reihenfolge beendeten, zeigt das, in welch gefährlichen Gefilden wir uns zum Schluss wieder bewegten und wir wirklich von Glück reden können, eine ganze Saison lang nie in Abstiegssorgen geraten zu sein.

Und es spricht auch noch nicht für die Mannschaft, dass die Fans an sich immer noch eher den Blick nach unten denn nach oben richten.

Es fehlt scheinbar doch ein wenig das Zutrauen, was wiederum etwas mit der Außendarstellung zu tun hat. Natürlich ist es immer ein schmaler Grat zwischen Selbstbewusstsein und Arroganz, aber sollten wir wieder in die Nähe internationaler Plätze geraten, sollte der Blick nicht länger nach unten gerichtet bleiben. Demut und Bescheidenheit sind gute Tugenden, aber bisweilen auch „eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr!“ wie ja bereits Wilhelm Busch über Letztere wusste.

Auch „Eigenverantwortung“ ist gut, richtig und wichtig. Ebenso wie dass diese von den Spielern auf dem Platz übernommen sollte, ist absolut korrekt. Aber es schadet auch nichts, sie dabei zu unterstützen – auch während des Spiels.

Es sind junge Kerle, mehr aber auch nicht. Ja, zum Teil stehen da auch richtig gute Fußballer auf dem Platz, aber ein Platzhirsch ist nicht darunter. Beck, Rudy, Firmino, Schwegler – keiner von ihnen drängt sich auf, wenn es eng wird, oder staucht seine Mitspieler motivierend zusammen.

Auch das muss sich neben den von Gisdol genannten Dingen ändern – und das fängt bei ihm an und seiner Sprache.

Nun ist Fußball ein stark medial geprägtes Geschäft und man achtet immer sehr darauf, dass man nichts Falsches sagt, da die Presse doch eine nicht geringe Macht auf Meinung und Wahrnehmung hat. Andererseits gilt es auch abzuwägen, was man weniger den Medien als den Menschen „schuldig“ ist – und in einer selbstbewussten Region wie der unseren ist es auch Selbstbewusstsein im Gestus und Duktus.

Es ist irgendwie unverständlich und auch unlogisch, dass jeder Trainer immer medial ungestraft sagen darf, dass er versucht, jedes Spiel zu gewinnen, aber bis auf einen keiner es keiner wagt zu sagen, dass er Meister werden will.

Warum eigentlich nicht? Es kommt dabei natürlich auf das „Wie“ an, ein wenig Ironie kann da nicht schaden, aber all das sind Dinge, die man lieber meidet für den Fall, dass es nicht eintritt, weshalb man sich zu Aussagen verleiten lässt, die hochwahrscheinlich zu erreichen sind. Aber ist man deshalb ein guter Trainer? Bloß, weil man einen richtigen Tipp abgegeben hat? Man sollte doch nicht an seinen prognostischen Fähigkeiten gemessen werden, sondern an den Ergebnissen.

Aber vielleicht ist auch das ein Zeichen des „moderner Fußball“, dass hier Kräfte walten ähnlich der Wirtschafts-, insbesondere der Börsenpresse, wo der Kurs einer Aktie sinkt, obwohl das Unternehmen einen Gewinn erzielt hat, der allerdings nicht dem entsprach, was dessen Leitung zuvor beabsichtigte, weshalb sich, wie man das da immer nennt: „Analysten enttäuscht zeigten“.

Diese Menschen sind keine „Analysten“, allein deshalb nicht, weil Enttäuschung etwas Emotionales ist, eine Analyse ist das aber gerade nicht. Zudem tragen sie selbst überhaupt nichts dazu bei, wie es einem Unternehmen in dessen Kerngeschäft geht, sondern sie sorgen a) für Überschriften, b) Wahrnehmung(sschwankungen) und vor allem c) sich um sich und ihr Wohlergehen, ihren Ertrag.

Im Fußball gibt es ja auch so „Experten“ und „Analysten“. Auf sie trifft im Wesentlichen dasselbe zu. Und auch sie sehen sich gerne als bedeutsam, weshalb es ja mehr und mehr Sendungen gibt, in denen Journalisten Journalisten befragen. Hier kann man versuchen, sich rauszuhalten, was die TSG ja mit Bravour in der letzten Saison getan hat, aber durchaus auch mal einen raushauen, was ihr gewiss auch nicht schadet – weder nach außen noch nach innen.

Ein solcher Auftritt hätte natürlich auch Auswirkungen auf das Auftreten der Mannschaft. Damit so etwas wie in diesem Spiel/in dieser Saison nicht mehr passiert:

  • sehr passabler Start
  • nicht weiter investiert
  • Ergebnis verwaltet
  • von der Unfähigkeit der anderen profitiert
  • doch noch einen Rückschlag einstecken müssen
  • sich wieder aufgerafft
  • Schadensbegrenzung betrieben
  • letztlich ganz gut rausgekommen.

Das aber kann nicht der Anspruch der TSG sein. Der Anspruch muss sein, vielleicht nicht das „maximal Mögliche“, aber zumindest das „möglichst Maximale“ herauszuholen und dieses Jahr war zumindest tabellarisch mehr möglich, viel mehr.

Und man hätte bei der Qualität des Kaders auch erwarten können, dass auch spielerisch mehr möglich ist. (War es ganz offensichtlich nicht, was übrigens viel „schader“ ist als die Tatsache, dass wir nicht in der Europa League spielen.)

Jetzt ist es ja rum. Bis hierhin war es die Zeit der „Enttäuschungen“ und anderer Emotionen, jetzt kommt die Zeit der Analyse, der Abgänge, der Zugänge.

Der Verbleib Vollands stimmt da sehr zuversichtlich, denn ihn wird man nicht nur mit Geld hätte ködern können.

Hoffen wir, dass Selbiges auch auf alle anderen zutrifft, die in der nächsten Saison die Farben der TSG tragen. Auf dass es so geht, wie es auf dem tollen Banner auf der Südkurve zu lesen war:

Immer weiter!

Nach vorn, wie wir uns erlauben zu ergänzen, denn das ist unser Spiel, das ist unsere Region.

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