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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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Hannover 96 vs. 1899 Hoffenheim

Hannover 96 vs. 1899 Hoffenheim

Tore und Tore

Wahrnehmungs- und andere Fehler

Ein solches Spiel der Phantasie werde besonders dir gefallen; denn ein Scherz wie dieser – er ist, will ich hoffen, weder vulgär noch überall witzlos – machte dir stets großen Spaß, und ohnehin schaust du das menschliche Treiben mit den Augen eines Demokrit an, nur dass du bei allem scharfen Verstand, der dich weit von den landläufigen Ansichten wegführt, zugleich der umgänglichste, gemütlichste Mensch bist, der doch wieder mit allen auf alles einzugehen vermag und liebt.

Wunderbar. Was für ein Sieg. Wir können nur Spektakel.

4:1. Das tat gut. Aber gut … war es nicht, das Spiel unserer Mannschaft.

Die Deutlichkeit und Überlegenheit, die das Ergebnis suggeriert, hatten wir nicht. Vielmehr erinnert das Ergebnis an den alten Spruch (angeblich von Otto Rehagel): „Mal gewinnt man, mal verlieren die anderen.“ Denn weit weniger, als wir das Spiel gewonnen haben, haben es die Gastgeber verloren.

Vor mehr als einem halben Jahrtausend verfasste Erasmus von Rotterdam eine kleine „Stilübung“, wie er das Werk selbst nannte: moriae encomium. Dieses „Lob der Torheit“ (Die Einleitung hierzu ist aus der Widmung an Thomas Morus daraus.) ist ein ironisches Werk, in dem dem Leser seine eigene Dummheit vorgeführt wird. Dies geschieht durch die Personifikation der Torheit selbst, die stets sich selbstpreisend ans Publikum wendet und ihre Vorzüge preist, mit denen sich jedermann leichthin identifizieren kann.

Daraus entsteht ein Dilemma, das zugleich die didaktische Idee des Werkes ist: Wenn ich als Leser gut finde, was ein Narr spricht, was bin ich dann?

Ihm ging es wohl darum, den gewöhnlichen Menschen durch Reflexion zu einem besseren Menschen zu machen. Ist es nun realistisch oder pessimistisch aus dieser Prämisse zu schlussfolgern, dass das, was 1509 als Ironie gemeint war, 2013 im Großen und Ganzen als gescheitert anzusehen ist?

Reflexion … hm, ist so eine Sache, bei der auch der alte Spruch gilt: „Vor dem Können kommt das Wollen.“ Und wer das nicht will, ist einfach dumm – wobei wir hier „dumm“ nicht als Mangel an Bildung verstanden wissen wollen (de facto hat das nichts miteinander zu tun), sondern einfach als die Einstellung, nicht nur etwas nicht wahrnehmen zu können, sondern es auch nicht zu wollen. Es ist in gewisser Weise also ein willentlicher Akt, der aber meist eher emotional als rational begründet ist.

Ein solcher Faktor kann Stress sein. Oder eben die Unwilligkeit in die Einsicht eigenen Fehlverhaltens, vor allem wenn dieses umgangssprachlich als „dumm“ bezeichnet wird.

All das trifft auf unsere Mannschaft in diesem Spiel nicht zu. Sie spielte zwar nicht gut, aber clever. Wenn man bedenkt, wie schnell uns die Gäste in die Bredouille brachten, wie schnell sie uns in allen Belangen überlegen waren, ist es nur schwer nachvollziehbar, warum sie sich sowohl auf dem Platz als auch nach dem Schlusspfiff so gebärdeten.

Ihnen gehörten die ersten zehn Minuten. Schon nach dreißig Sekunden hatten sie ihre erste Riesenchance, weil in unserer Hintermannschaft alles fehlte: Konzentration, Zuordnung, Zweikampfverhalten, Entschlossenheit.

Auch der Spielaufbau von hinten heraus gelang nicht, weil die Bälle unpräzise, lasch, schlicht schlecht zugespielt wurden – wenn sie überhaupt beim eigenen Mann ankamen. Nein, das war alles andere als schön anzuschauen und das sah auch im metaphorischen Sinne alles andere als gut aus.

Dann gab es wieder so einen langen Ball. Immerhin nicht als Vorsah-Gedächtnis-Pass geschlagen, sondern einfach nur flach gespielt, aber ähnlich weit und diagonal mehr mit der Hoffnung denn der Sicherheit auf einen Abnehmer.

Eigentlich wieder ein Ballverlust, aber a) ist „eigentlich“ ein Wort, das man eigentlich nicht braucht, und b) haben wir einen Anthony Modeste. Er lief dem „eigentlich“ viel zu langen und unpräzise gespielten Ball hinterher, und das obwohl ein Verteidiger den Ball „eigentlich“ sicher hätte haben müssen. Hatte er aber nicht (s. a)) und so kam es zu einem Zweikampf, bei dem der Verteidiger Modeste unfair abgrätschte.

Da er dies aber just auf dem gefühlt halben Metern tat, in dem dieses Duell eher zufällig im Strafraum stattfand, gab es nur eine Entscheidung für den Schiedsrichter, auch wenn Modeste durch die Attacke seines Gegenspielers aus dem Sechzehner flog (auch mal interessant, es so rum zu sehen, denn normalerweise ist es ja andersrum): Elfmeter.

Obwohl Salihovic diesmal auf der in einer in unserer Mannschaft ungewohnten Position links hinten spielte, trat er, zumal ja Firmino im letzten Spiel seinen Elfer verschoss, an und machte wieder wie bereits bei seinem letzten Elfmetertreffer den Neeskens: Die Kreide des Elfmeterpunktes staubte auf und noch bevor deren Partikel wieder den Gesetzen der Schwerkraft folgten, war der Ball drin und des Gästekeepers Extremitäten noch dran, denn er entschied sich (sicherheitshalber?) für eine Ecke.

Und wieder folgte dem Elfmetertreffer Salihovics ein Platzverweis, aber zum Glück traf es diesmal nicht ihn. Er hat sich diesmal nicht wie beim letzten Mal den Ball geschnappt, er hat sich diesmal zu nicht einer Tätlichkeit hinreißen, sondern sich bejubeln lassen. Womit bewiesen wäre: Aus Fehlern wird man klug.

Diese Eigenschaft kann man nicht so ohne weiteres für alle Akteure gelten lassen. Denn es ist doch recht unverständlich, warum die gegnerischen Spieler auch nach der (richtigen) Entscheidung des Schiedsrichters weiter auf ihn einredeten.

Sie mussten ja seine Meinung in dem Moment nicht teilen, aber ändern würden sie sie nicht. Noch überraschender war, dass man seitens der Gastgeber die Elfmeter-Entscheidung des Schiedsrichters auch noch nach dem Schlusspfiff nicht nur als falsch, sondern als Folge des letztwöchigen Phantomtors ansah.

„… die Einstellung, nicht nur etwas nicht wahrnehmen zu können, sondern es auch nicht zu wollen.“

Dieser Verschwörungsansatz, vor dem ja selbst, wenn man bei aller Subjektivität versucht, ehrlich und objektiv zu sein, nicht immer gefeit ist, wurde in den nächsten sechzig Sekunden genährt.

Der Mittelstürmer der Gäste holte sich noch vor dem Wiederanpfiff eine gelbe Karte wegen Meckerns ab und begab sich dann wieder in die Sturmspitze, wo er auch sofort den Ball erhielt. Wieder sah unsere Abwehr nicht gut aus, wieder konnte sie den Ball nicht klären. Es kommt wieder zum Zweikampf, diesmal in unserem Strafraum – und der Verwarnte fällt, der Schiedsrichter pfeift, Gelb-Rot wegen Schwalbe.

Als „zu hart“ wurde diese Entscheidung allenthalben bewertet, zumal man bezweifelte, dass es eine, wie der Ornithologe sagt, Hirundinida war.

Es war eine. Eine, die genau die Absicht hatte, einen Elfmeter zu schinden. Zwar gab es zuvor einen Zweikampf, bei dem wir uns nicht hätten beschweren können, hätte der Schiedsrichter ebenfalls auf den Punkt gezeigt, wäre der Stürmer in der Aktion gefallen, aber er hielt sich auf den Beinen, lief sicher weiter, und sprang dann erst deutlich mit dem rechten ab. Zumindest aus unserer Sicht deutlich eine, weil es so schön klingt, Hirundinida.

Nun kommen da verschiedene psychologische Dinge zusammen. Man darf ja nicht vergessen, was keine 60 Sekunden zuvor 60 Meter spielfeldeinwärts passierte. Und dann muss sich gerade der nicht-hoffenheim-affine Betrachter der Szene fragen, wie er die Situation bewertet hätte, wäre es ein Hoffenheimer Spieler gewesen, der das getan hätte. Ist es so unvorstellbar, dass er gedacht hätte: „Wenn der so dumm ist, sich so fallen zu lassen, wo er doch ne gerade dumm eine gelbe Karte gekriegt hat, ist er doch selbst schuld!“? Wenn ja: Voilà!

Die Verwarnung war schon unnötig, aber diese Aktion im Anschluss draufzusetzen, war schlicht unclever. Und der Schiedsrichter hat da in besonderem Maße konsequent gehandelt, wohl auch, weil er sich nicht verscheißern lassen wollte. Vielleicht hätte er bei einem anderen Spieler einige Minuten später anders reagiert, aber hier hat er einfach das Regelwerk gnadenlos zur Geltung gebracht.

Dies aber nun als Indiz dafür zu nehmen, dass dies eine Konzessionsentscheidung des Schiedsrichters zur Wiedergutmachung der wohl nicht wiedergutzumachenden Fehlentscheidung seines Kollegen aus der Vorwoche (denn ein Wiederholungsspiel wird es wohl nicht geben) zu nehmen, ist doch sehr hanebüchen, lenkt von den eigenen Fehlern ab und deutet auf einen Mangel an Willen zur Einsicht.

In der Folgezeit kam dann endlich etwas Ruhe in das durchaus ruppige Spiel und wir auch endlich zu ein paar geordneten und strukturierten Spielzügen. Und im Gegensatz zu den bisherigen Spielen, in denen wir immer einen enormen Aufwand betreiben mussten, um Tore zu erzielen, ging das diesmal natürlich auch aufgrund der zahlenmäßigen Überlegenheit einfacher.

Gekrönt wurde diese Phase durch das 2:0. Ein sehr schöner Kopfball von Herdling, der für den verletzten Volland spielte, nach einer präzisen Flanke von Beck. Das war auch schön, dass das auch mal klappte.

Nun ist 2:0 ein beruhigendes Ergebnis – allerdings nicht für die TSG. Neun Punkte haben wir schon nach einer solchen Führung liegen lassen. Rechnet man dann noch das ein oder andere Spiel dazu, bei dem man auch nicht die Punkte bekam, die man hätte bekommen können bzw. müssen, läge man zumindest auf Platz 4. (Irgendwie aber auch nicht schlecht, dass dem nicht so ist. Wie wir wissen, kommt Hochmut vor dem Fall. Damit müsste, sofern hier ein Umkehrschluss zulässig ist, Demut vor dem Aufsteigen kommen. In diesem Sinne: Weiter geht’s …)

Zu Beginn der 2. Halbzeit waren dann wir es, die bereits in der ersten Minute nach Anpfiff die erste Großchance hatten, aber auch diese sowie die folgenden guten Situationen haben wir nicht konsequent zu Ende gespielt.

Zu dieser mangelnden Konsequenz gesellten sich dann wieder Abspielfehler, so dass es nur eine Frage der Zeit war, bis der Gegner anfing an sich zu glauben. Das tat er dann auch, forcierte seine Angriffsbemühungen und belohnte sich mit dem Anschlusstreffer.

Sollte das nun wieder losgehen? Nürnberg, Mainz, Hannover? Es sah ganz danach aus, denn von unserer Mannschaft kam nichts – und dennoch zum nächsten Tor, das wir ebenfalls einem Fehler der Gastgeber zu verdanken hatten – sowie der guten Reaktion Polanskis, der sah, dass ein Verteidiger sich nicht entscheiden konnte, wohin er den Ball spielen sollte. So nahm er ihn ihm ab und passte ihn perfekt zwischen die Innenverteidigung der Gastgeber in den Lauf von Firmino, der dann den alten Torabstand wiederherstellte – und wenige Minuten später sogar ausbaute.

Schöner Ball auf ihn, der eigentlich auch in der schlechteren Position zum Ball war. Im Zweikampf versucht sein Gegenspieler ihn zu blocken und zu halten, schafft es aber nicht. Statt dessen rutscht er aus, Firmino kommt an den Ball und macht ihn rein.

Dieses Ausrutschen wurde im Nachhinein in den Medien gerne als Foul Firminos angesehen, nachdem man zuerst der Meinung war, er sei ihm auf die Hand getreten. Was denn nun?

Als ob man einen Schuldigen suchte für das mangelhafte Zweikampfverhalten des eigenen Spielers. Auch er hatte die Einsicht nicht und echauffierte sich so richtig vor dem Schiedsrichter, der ja bereits in der 1. Halbzeit deutlich machte, dass er vor konsequenten Entscheidungen nicht zurückschreckt.

Die Fakten waren also bekannt. Das hielt aber den Spieler nicht davon ab, verbal wohl sehr deutlich geworden zu sein, was ihm glatt Rot einbrachte.

Wieder nur wenige Minuten später war der Ball wieder im Tor der Gastgeber. Und wieder war es Firmino. Leider stand Schipplock bei seinem Zuspiel im Abseits, sonst hätte diese Partie nicht nur die früheste gelb-rote Karte der Bundesliga-Geschichte gesehen, sondern auch einen der schnellsten lupenreinen Hattricks.

Schipplock hatte auch noch kurz vor Schluss die Chance, zum 1:5 beizutragen. Doch anstatt rechtzeitig zu passen, lief er mit dem Ball und lief und lief und lief und passte erst dann, als es nicht mehr passte.
Ein, zwei Treffer mehr wären in Anbetracht des nächsten Gegners und der Bedeutung der Tordifferenz beim aktuellen Stand in der Bundesliga nicht doof gewesen. Aber letztlich kommt es nicht auf diese nicht erzielten ein, zwei Treffer, als vielmehr auf die drei eingefahrenen Punkte an, auch wenn der Gegner das Spiel mehr verloren hat, als wir es gewonnen haben.

Und mindestens ebenso wichtig, dass man sich vom tollen Ergebnis nicht blenden lässt und daraus die falschen Rückschlüsse auf das eigene Spiel zieht, sondern dass man aus seinen Fehlern lernt – und davon gab es in dem Spiel von unserer Mannschaft reichlich. Aber im Großen und Ganzen klappt das ja schon ganz gut in dieser Saison.

Damit bleiben wir also frohgemut und zuversichtlich, dass dies auch so weitergeht. Somit kann sich der nächste Gegner auf was gefasst machen. Wer ist das noch mal?

(Bildquelle)

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