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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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FC Würzburger Kickers vs. „1860“ Hoffenheim

Nur Mut

Menschen ändern sich, sonst nichts.

Schon als die Kugel geöffnet ward, ward jedem klar, dass es kein leichtes Spiel werden wird. Auch wenn wir im Vorjahr einen größeren Namen als Gegner hatten, erwies sich dieser wie erwartet schwach. 6:1 gewannen wir damals das Erstrundenspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern, der ja heuer mehr Erfolg hatte.

Vor dem FC Würzburger Kickers hatte man da gefühlt mehr Respekt und nach all den personellen Veränderungen war natürlich im Jahre 1 n. Nagelsmannschulzamiridemirbayjoelintonhack die Nervosität groß, wie sich die Mannschaft wohl schlagen wird, zumal die Vorbereitungsspiele jetzt nicht übermäßig optimistisch stimmten.

Zeit und Raum

Zum Glück, muss man sagen, hatten die Vereinsverantwortlichen mit FC Sevilla genau den richtigen Gegner für den Saisoneröffnungskick, denn es war ein richtiger Gegner, der richtig gut Fußball spielen konnte, wollte und es auch tat – und wir uns damit gerade in der ersten Viertelstunde erschreckend schwer. Letzte Woche. Aber da ging es ja letztlich um nichts, außer um Spaß zu haben, Zuversicht zu verbreiten und die TSG-Familie wieder zusammenzubringen. Dieses Gefühl wurde auch durch die Rückkehr des verlorenen Sohnes Sebastian gestärkt.

Aber offensichtlich, wie ja auch in den Kommentaren nach dem Spiel letzten Samstag zu hören war, waren die Verantwortlichen zufrieden mit dem, was sie sahen und allein aus diesem Grund, war es keine Überraschung, dass Schreuder bis auf Akpoguma, für den der letzte Woche verletzte Vogt ins Team kam, mit der gleichen Startelf in die Wettbewerbssaison startete.

Nun haben wir bekanntermaßen keine Ahnung von Fußball und auch die physikalischen Phänomene Zeit und Raum kennen wir mehr aus der Wahrnehmung, als dass wir ein fundiertes philosophisches Wissen dazu besäßen, weshalb wir uns nicht als Laien mit Frage kasteien wollen wie

Wenn man weiß, dass man nichts weiß, ist alles gut. In Ordnung ist auch, wenn man fühlt, dass man nicht genug weiß, um etwas zu machen und/oder zu entscheiden. Schlimm wird es, wenn man denkt oder – noch schlimmer – fühlt, man wisse, tut es aber nicht. (Ein Phänomen, was man heutzutage als „normal“ ansieht, wenngleich dies eigentlich stochastisch richtig ist. Moralisch, gesellschaftlich ist es die viel größere Katastrophe, dass jede noch so dumme Meinung toleriert, akzeptiert, respektiert und mehr wird, wenn sie nur von genug Menschen aus der individuell (politisch) korrekten Ecke kommen.

Ecke.

Wäre jetzt ne super Überleitung zur 1:0-Führung durch Kaderabek, aber die muss noch etwas warten, denn wir möchten hier auf den Dunning-Kruger-Effekt verweisen und ihn dem Impostor-Syndrom gegenüberstellen.

Deppen und Hochstapler

Der Effekt ist benannt nach den Autoren einer Publikation von David Dunning und Justin Kruger aus dem Jahre 1999, für die sie im Jahre 2000 die satirischen Wissenschaftsauszeichnung, den Ig-Noble Prize erhielten. In dieser Publikation legten sie dar, dass schwache Leistungen mit größerer Selbstüberschätzung einhergehen als stärkere Leistungen, da weniger korpule… weniger kompetente Menschen dazu neigen, …

  • … ihre eigenen Fähigkeiten zu überschätzen;
  • … überlegene Fähigkeiten bei anderen nicht erkennen;
  • …. das Ausmaß ihrer Inkompetenz nicht zu erkennen vermögen;
  • … durch Bildung oder Übung nicht nur ihre Kompetenz steigern, sondern auch lernen können, sich und andere besser einzuschätzen.

Klingt banal und für dich, geneigte/r Leser/in gewiss auch mehr als bekannt und gewiss könntest du problemlos, mindestens ein halbes Dutzend Menschen in deinem beruflichen und/oder privaten Umfeld nennen, die genau unter diesem Dunning-Kruger-Effekt leiden. Hm, das war unpräzise, denn, um es in den Worten des britischen Satirikers Ricky Gervais zu sagen:

Dummheit ist wie der Tod. Darunter leiden nur die anderen.

Anders verhält es sich mit dem Impostor-Syndrom. Dieser Terminus wurde erstmals 1978 in einem Artikel von Pauline R. Clance und Suzanne A. Imes erwähnt. Es mutet seltsam an, dass gerade zwei Autorinnen diesen Terminus, der ja nichts anderes heißt als „Hochstapler“, geprägt haben und an (nicht: unter) dem insbesondere Frauen leiden würden. Denn damit ist weder gemeint, dass insbesondere Frauen Hochstapler seien noch Opfer von solchen Menschen würden.

Vielmehr werden sie Opfer ihrer selbst, ihrer massiven Selbstzweifel hinsichtlich eigener persönlichen Fähigkeiten, Leistungen und Erfolge. Die Betroffenen dieses psychologischen Phänomens neigen dazu, ihre Errungenschaften als Glück, Zufall oder durch die Überschätzung ihrer Fähigkeiten durch andere zu relativieren oder gar zu diskreditieren, so dass sie in steter Angst leben, ihren vermeintlichen Mangel an Befähigung würde von anderen bemerkt, sie als Betrügerin entlarvt und als Hochstaplerin gebrandmarkt. (Daher der Name des Syndroms, auf den so kein Mann gekommen wäre.)

Inzwischen wurde nachgewiesen, dass es nicht nur Frauen sind, die darunter leiden. Im Grunde sind beide Geschlechter (wir sind alt und haben uns daran so gewöhnt, dass wir aus Gewohnheitsrecht die diversen anderen hier einfach ignorieren) in gleicher Zahl davon betroffen. Wir bezweifeln allerdings, dass dies im Fußball genau so ist.

Analyse und Paralyse

Wir haben beides, also was diese psychologischen Phänomene angeht. Wir leiden sowohl unter dem einen als auch dem anderen. So wird im Fußball ja gerne analysiert, was das Zeug hält. Genauer gesagt: „analysiert“, wobei wir eingedenk der ersten vier Buchstaben der Meinung sind, dass das, was so genannt wird, wenn nicht gleich Scheiße, so doch zumindest fürn Arsch ist. Im Grunde handelt es sich dabei um in Worte gekleidete Zahlenpornografie.

Der größte Produzent solcher Werke ist optasports. Diese haben zum gestrigen Spiel festgestellt, dass keine Mannschaft jemals zuvor im DFB-Pokal so viele Pässe in einer 1. Halbzeit spielte wie unsere TSG gestern: 489 sollen es gewesen sein. (Quelle)

Was für einen Nähr- und Mehrwert bietet einem diese Information? Es gibt keine weiterführende Tor-Pass-Korrelation. Und selbst wenn, wäre 1:489 eine äußerst bescheidene Quote – zumindest in der Liga, wie ein Rückblick auf die letzten Jahre zeigt:

  • 2015/16: 1:361 (Platz 15)
  • 2016/17: 1:277 (Platz 4)
  • 2017/18: 1:221 (Platz 3)
  • 2018/19: 1:222 (Platz 9)

Wenn es eine Korrelation gibt, dass zwischen 1. Rundenspiel im DFB-Pokal und Bundesliga-Tabellenplatz, denn 2012/13 schieden wir schon einmal gegen einen (sehr) unterklassigen Gegner aus – und diese Saison, die mit dem 0:4 gegen den Berliner AK startete endete mit der Relegation gegen den 1. FC Kaiserslautern.

Und 2015/16 ereilte uns das gleiche Schicksal, wenngleich gegen einen größeren Namen und etwas höherklassigen Gegner, trotzdem erneut waren wir nach dem frühestmöglichen Aus im DFB-Pokal fast raus aus der Liga

Vielleicht war es dieses 0:2 gegen den TSV 1860 München, was die Gastgeber zu der (Namens-)Gestaltung der Eintrittskarte veranlasste:

Ticket-Wuerzburg-Hoffenheim_1

Das war auch die Saison, in der Nagelsmann wesentlich später sein Debüt als Chefcoach bei uns gab. Mit ihm schieden wir im DFB-Pokal nie in der 1. Runde aus, dafür immer in der 2., in der wir jedes Mal auswärts bei einem Bundesligisten antreten mussten – und bei den meisten dieser Partien stand Alfred Schreuder als Assi neben ihm; gestern in seinem 1. Pflichtspiel als Chefcoach im Rampenlicht.

Auf der Pressekonferenz erzählte er in seiner angenehmen, aber für Hoffenheimer Ohren immer noch irritierend ruhigen und ungewohnt unaufgeregten Stimme von seiner Spielauffassung, wie er das Spiel angehen will, was alles etwas holzschnittartig daherkam, wie Versatzstücke aus einem Handbuch, wobei das natürlich auch schlicht und ergreifend daranliegen kann, dass er eben nicht alles zu einer Wissenschaft erklärt, sondern dies vielmehr schlicht und ergreifend tut.

Vor allem von „Mut“ war immer die Rede. Die Mannschaft wolle und solle „mutig spielen“, „mutig sein“, was man ja alles von den Worten her kennt, nur eben die Emphase war eine andere.

Das ist schön so, wenn es denn verstanden wird. Deutsche haben Humor, sagen sie, und doch geht man hierzulande lieber sicher und bereitet seine Zuhörer/innen auf eine kommende Pointe vor oder macht mimisch deutlich, dass es ein Witz war, zumindest als ein solcher intendiert. Zu groß ist die Gefahr, dass wer den größten Mist ernst nimmt, weil er eben ernst vorgetragen wurde.

Wenn nun also wer in Ruhe von „Mut“ spricht, dann muss er sicher sein, dass sein/e Gegenüber das richtig decodiert und diese Aufforderung internalisiert, von sich aus daran sowie ans Gelingen des Unterfangens glaubt. (Frau Merkels „Wir schaffen das!“ ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie etwas hoch unterschiedlich decodiert werden kann. „Wer ist ‚wir’?“, frugen zum einen die, die sich gerne als „das Volk“ bezeichnen, aber auch Feuilletonistinnen bedeutungsschwanger. Ebenso wurde jedes anderen Wort hinterfragt, was für die einen völlig in Ordnung war, weil sie es eben nicht verstanden oder verstehen wollten, während anderen es völlig klar war, dafür die Gegenfragen nicht verstanden.

Hagen rether_Meme

 

Nun ist der Fußballfan im Allgemeinen und der Hoffenheim-Fan im Besonderen generell eher pessimistisch eingestellt, wobei die gewitzten unter ihnen sich weniger als „Pessimist“ bezeichnen würden, denn als „Optimist mit Erfahrung.“

So hatten wir nach dem Sevilla-Spiel kein gutes Gefühl, was durch die fast identische Startaufstellung eher gestärkt wurde … und dann noch die Erinnerungen an die Erstrundenpaarungen 2012/13 bzw. 2015/16 … das alles sammelte sich und erhöhte das erste Spiel bereits zu einem Schicksalsspiel für uns:

„Wenn wir das verlieren, spielen wir gegen den Abstieg. Wenn wir das gewinnen, überwintern wir das erste Mal seit Jahren in einem Pokalwettbewerb.“

Nun haben es uns die Würzburger leichtgemacht, denn im Gegensatz zu Jahn Regensburg und dem FC Sevilla in den Vorbereitungsspielen, pressten die Gastgeber aus (falscher?) Furcht nicht hoch gegen uns. Vielmehr spielten sie einen klassischen Catenaccio und hofften auf Ballverluste.

So entwickelte sich ein sehr einseitiges und wenig interessantes Spiel mit wenig Torchancen. Durch die Aufstellung fehlte auch eine zentrale Anspielperson in der Mitte wie auch überhaupt der echte Drive.

Auffälligster Spieler im positiven Sinne war im ersten Durchgang, nicht nur wegen seines „Nachköpfers“ zum 1:0 Pavel Kaderabek. Über links ging nichts und durch die Mitte auch nicht. Das war sehr kontrolliert, aber maximal berechenbar, was den Hausherren natürlich auch leichtmachte, unsere Angriffsbemühungen von ihrem Kasten fernzuhalten, zumal ja kaum einer der unseren bereit und/oder willens war von außerhalb des Strafraums aufs Tor zu schießen. Dabei gaben die Fernschüsse sowohl von Posch als auch Zuber dem in Gelb gekleideten Torwart der Rothosen die Chance zur Auszeichnung.

Nachdem dann in der 2. Halbzeit Bebou einmal nicht ausrutschte und seine Geschwindigkeit einsetzte und einnetzte, schien das Spiel gelaufen.

Nur weiter so spielen und wir werden locker weiterkommen.

Es kam bekanntlich anders und so irritiert man sich seitens der Verantwortlichen des Vereins nach dem Spiel gab, so unerklärlich dieser plötzliche Abfall sowohl in Psyche als Physis, so einfach ist die Erklärung in der Hybris der Spieler zu finden – oder aber in der geänderten Spielweise des Drittligisten.

Plötzlich gingen sie viel früher drauf, sie pressten, verteidigten sehr hoch – und die Köpfe unserer Spieler hingen immer mehr.

Wie bereits gegen den Jahn und die Gäste aus Spanien kam unsere Hintermannschaft ins Schwimmen und ihre Pässe nirgends mehr an – weder im Mittelfeld noch bei dem inzwischen eingewechselten Szalai, der zur Halbzeit für den sehr engagierten Grifo kam.

Als hätte es keine Abgänge gegeben, als wäre es noch dieselbe Mannschaft, kam plötzlich der fast schon klassische Bruch ins Spiel unserer Mannschaft – gepaart mit der Einladung an den Gegner, Tore zu schießen. Eine Einladung, der die Würzburger nur sehr zögerlich nachkamen. Sie versemmelten einige Höchstprozentige, aber dann stand es doch binnen weniger Minuten 2:2.

Und wie bereits in der letzten Spielzeit ging es dann wieder. Dann. Aber das hatte halt auch etwas mit dem dann anderen Spiel des vermeintlichen Unterhundes zu tun, der sich wieder vor seine Hütte verkroch.

Wieder ein Unentschieden nach 90 Minuten.

Wieder die Führung durch einen doppelten Doppelpass der zwei Spieler, die allein von ihrer Spritzigkeit, Schnelligkeit und last but not least technischen Versiertheit nicht unterschiedlicher sein könnten. Bebou tanzte und Szalai traf. 3:2

Und spätestens jetzt entwickelte sich ein DFB-Pokalspiel mit allen Klischees, die der Pokal so zu bieten hat: offenes Visier, Größtchancen hüben wie drüben, incl. Wembleykracher, Schüsse übers leere Tor, die Entscheidung wollte nicht fallen, dafür dann aus einer (wie im bereits in der letzten Saison) eher harmlosen Ecke (wie bereits im Durchgang zuvor) der Ausgleich.

So kam es also nach 20 Jahren, wie der TSG-Twittergott @bimbeshausen sofort zu berichten wusste, zum ersten Elfmeterschießen der TSG seit dem Entscheidungsspiel gegen den SV Linx um den Aufstieg in die Oberliga Baden-Württemberg 1999.

Damals ging es mit 4:5 verloren. FunFact: Ebenfalls nach einem 3:3.

Diesmal gewannen wir das Elfmeterschießen mit demselben Ergebnis, allerdings ebenfalls in der Verlängerung, denn auf beiden Seiten verschoss jeweils ein Spieler. Aber schon beim ersten 1:1-Duell hielt Olli Baumann, der ja zuvor nicht gerade als Penaltykiller bekannt war, was auf der Tribüne so einem typischenTSGigen „Derhältkännerderhältkänner“-Mantra führte, den Schuss des Würzburgers – und den sogar fest – und ein ebensolches folgte dann auch auf den Rängen.

Weiter.

Weiter.

Weiter.

Was für eine Erleichterung – gerade auch angesichts der Bedeutung, die wir (Deppen) dem Spiel gaben. Aber umso größer ist die Vorfreude auf die nächste Partie und den Start der Liga.

Die Eintracht strauchelte heute auch fast, hat es aber noch innerhalb der regulären Spielzeit geschafft, in die nächste Runde einzuziehen. Sie muss zwar am Donnerstag wieder antreten, aber nach ihrem 5:0-Auswärtssieg im Europa League-Qualifikationshinspiel beim FC Vaduz ist das mehr eine uns eher schadende Pflichteinheit unter Wettkampfbedingungen.

Die Eintracht wird sich anders präsentieren. Sie wird mutiger sein. Sie wird sofort früh attackieren. Da würden wir mit der Aufstellung, der Leistung und dem Mangel an Mut beim Spielaufbau nach vorn sehr früh in sehr große Schwierigkeiten geraten.

Gegen sie braucht es auch wen, der körperlich dagegen hält. Mit Bicakcic und Skov haben wir diese Spieler noch in der Hinterhand. Kramaric noch im Lazarett. Es kann also gut sein, dass wir unsere erste Partie mit einer Mannschaft in einer stark veränderten Aufstellung sehen – und hoffentlich auch Einstellung, denn mit einem hat der Trainer absolut Recht. Das, was die Mannschaft nach dem 2:0 gemacht hat, geht gar nicht. Und wenn doch, geht es schief.

Aber noch ist ja eine Woche Zeit und bis dahin geht ja noch einiges zu verbessern und zu überdenken, wie zum Beispiel die Idee mit drei Mittelfeldspielern im Mittelkreis, dafür ohne Mittelstürmer zu spielen.

Aber vielleicht ist das auch genau der Clou, und wir kapieren es einfach nicht. Das kann gut sein. Also kann es ja nur besser werden – unser Verständnis von Raum und Zeit, naja, – und Fußball. Vielleicht fehlt uns da was, aber immerhin erkennen wir das (ergo kein Dunning-Kruger). dafür haben wir das, was der Trainer und die TSG will – und das nicht nur in Sachen Meinungsäußerung: Mut. Auch den Mut, uns dessen belehren zu lassen, was der Feind des Guten ist: des Besseren – und besser muss es werden und wir sind uns, obwohl wir Hoffenheim-Fans sind, sicher: besser wird es werden.

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