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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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Eintracht Frankfurt vs. 1899 Hoffenheim

Die Sinnlosigkeit des Richtigen

Es braucht mehr als Spieler.

Die Aufstellung war super. Alles richtig. Bicakcic verletzt, Samassekou auch. Im Grunde so ähnlich wie gegen die Bayen in der 2. Halbzeit spielen lassen zu wollen … keine schlechte Idee …

Nur: Eine gute Idee bringt nichts. Man muss sie auch umsetzen. Nicht zuletzt gibt es unter professionellen Kreativen die mindestens 50 €-teure Phrase „Eine gute Idee ist 10% Inspiration, 90 % Transpiration.“ – und, sagen wir mal so, beim Spiel gegen die Frankfurter Eintracht mangelte es bei den Spielern auch an Inspiration.

Nicht selten ist es aber auch der Zufall, der hilft, aus einem Missgeschick etwas Sinnvolles zu machen. So verstolperte Posch erst den Ball, so dass er nicht zur Seite passen konnte, weshalb er weiter nach vorn musste und dann noch mal und gewiss war er froh, dass er den Ball an Baumgartner weiterleiten konnte.

Spencer Silver dürfte es ähnlich gegangen sein, als er einen neuen Klebstoff fand, der zwar super an Materie haftete, aber einfach nicht fest genug war, so dass er sich bei geringstem Widerstand löste. Sein Kollege Arthur Fry war es, der das Potenzial dieser vermeintlichen Schlampigkeit erkannte und Papier damit partiell bestrich. Das Post-It war geboren – und aus dem vermeintlichen Fehler der Entwicklung von Spencer Silver wurde für die Firma 3M pures Gold.

A propos Spencer: Percy Spencer war ein US-amerikanischer Ingenieur, der wie viele andere auch an Magnetronen für Radaranlagen arbeitete. Dabei hatte er auch mal ein Snack in der Tasche. Nun war er nicht der Erste, der bemerkte, dass jene Schokoriegel schmolzen, aber er wusste es zu nutzen und entwickelte daraus 1946 den Vorläufer der Mikrowelle. Dabei half ihm gewiss auch seine Erfahrung, denn er besaß zu dem Zeitpunkt schon über 120 Patente.

Das Besondere an einer Mikrowelle ist ihre Eindringtiefe. Damit wird das Material nicht wie sonst üblich von außen, sondern eben von innen heraus erwärmt, so gesehen war Baumgartners Ball auf Kramaric ein Mikropass, schließlich drang er tief in ein Bündel Frankfurter Abwehrspieler ein, wo unsere Vizeweltmeister alsbald auf kleinstem Raum rotierte und durch einen wunderschönen Schuss unser aller Herzen sehr, sehr warm werden ließ.

So gesehen, war das 1:0 das Ergebnis von so manchem Zufall, jedoch keiner Idee. Zum Glück haben wir da vorn im Sturm einen sehr patenten Mann – und sogar ein bisschen Glück, dass sein Schlenzer zudem perfekt touchiert wurde, so dass sich sein Schuss noch schöner ins Netz senkte.

A propos Netz:
Es wusste, dass Kramaric damit gegen jedes Team in der Bundesliga traf, gegen das er spielte.

Die Idee, die unserem Spiel zugrunde gelegen haben mag, offenbarte sich erst im Anschluss an die Führung, so dass wir mit diesem Tor unsere Dominanz im Spiel entwickeln konnten. Auch etwas, was in der wahren Warenwelt sehr geschah und immer noch geschieht:

So wurde ein vor seiner Zulassung stehendes Medikament gegen Bluthochdruck und Herzbeschwerden auf Basis von Sildefanil an Männern und Frauen getestet, was aber nicht die erwünschten Ergebnisse brachte und von daher nicht auf den Markt kam. Immerhin hatte es keine negativen Nebenwirkungen bei den Testpersonen, im Gegenteil: Die männlichen Probanden berichteten sehr positiv über insbesondere eine, die sich das US-Pharmaunternehmen Pfizer zunutze machte, patentieren ließ und 1998 unter dem Namen Viagra auf den Markt brachte. Worauf der Produktname anspielt, bleibt deiner Phantasie überlassen, geneigte/r Leser/in, aber er basiert gewiss auf etwas anderem als auf einer Beschreibung der Penetration des Marktes. Er leitet sich ab von „via gradus“ („der gerade Weg“).

Und auch für die Berührung des Balles durch Abraham gibt es ein Äquivalent …

…, denn die Firma Tefal verdankt ihre Existenz einer Idee, die nicht sie, sondern ein gewisser Roy Plunkett hatte, der für seinen Arbeitgeber DuPont ein Kältemittel für Kühlschränke suchen sollte. Statt dessen entdeckte er PTFE (Polytetrafluorethylen), auf dass am 4. Februar 1941 sein Patent erhielt. Er verkaufte es zuerst als Korrosionsschutz für Behälter, in denen beim Bau von Atomwaffen im Rahmen des „Manhattan-Projekts“ Uranhexafluorid gelagert wurde, aber das war doch ein sehr kleines Marktsegment. Der große Erfolg seiner Entdeckung kam erst Mitte der 1950er Jahre, als der französische Ingenieur Marc Grégoire und seine Frau Colette Mitte auf die Idee kamen, PTFE, auch besser bekannt unter dem Kunstwort „Teflon“, auf Aluminiumscheiben aufzubringen und damit dann Bratpfannen und Kochtöpfe zu beschichten. 1956 gründete Grégoire die heute noch existierende Firma „Tefal“, ein Kurzwort aus Teflon und Aluminium.

Auch so eine Phrase unter professionellen Kreativen, die allerdings nur unter ihnen strafbewehrt ist, während sie im Umgang mit Amateuren in dem Bereich nicht zu vermitteln ist: „Einer guten Idee ist es egal, wer sie hat.“

Meist sind diese Amateure so stolz und glücklich, dass sie eine Idee hatten, dass sie meinen, sie allein verdienten die Lorbeeren. Was sie nicht tun, denn erstens haben oder hätten sie den Wert der Idee gar nicht erkannt, zweitens war da ja noch was, was es braucht … ach ja: 90% Transpiration. Und ein Team.

Alexander Fleming hatte das. Und unweigerlich muss man bei seiner größten Entdeckung – gewiss eine der allergrößten der Menschheit – an den Satz denken, den man einem der allergrößten Genies der Menschheit unterstellt. Dabei gibt es keinen Beleg dafür, dass Einstein wirklich jemals sagte: „Wenn ein unordentlicher Schreibtisch einen unordentlichen Geist repräsentiert, was sagt dann ein leerer Schreibtisch über den Menschen aus, der ihn benutzt?“

Aber er ist trotzdem gut und passt hier perfekt, denn Fleming forschte 1928 zunächst mit Staphylokokken, als er kurz vor den Sommerferien noch eine Agarplatte mit den Bakterien versetzte. Als er im September zurückkam, entdeckte er, dass auf dem Nährboden ein Schimmelpilz wuchs – und sich in dessen Nachbarschaft die Bakterien nicht vermehrten. Fleming nannte den Stoff „Penicillin“. Als Medikament entwickelten es schließlich Howard Florey und Ernst Chain weiter, die gemeinsam mit Fleming 1945 den Medizinnobelpreis bekamen.

Mit der Weiterentwicklung unseres Spiels haperte es aber. Wir kamen auch hin und wieder vor das Frankfurter Tor, aber wirklich gefährlich oder gar bahnbrechend nie. Immerhin hatten wir Ball und Gegner nach dem Führungstor souverän unter Kontrolle, standen hinten dichter und dachten, das würde in Halbzeit 2 gerade so weiter gehen.

Aber das ist heutzutage ja so eine Sache mit dem Dichten und Denken hierzulande. Eher sind wir, wie bereits im letzten Kommentar angemerkt, das Land der Mahner und Warner, als Außenstehende, während Verantwortliche dazu neigen, sich als Taktierer und Tüftler einen Namen zu machen.

Doch auch da stand es mal besser um ums … als Nation. Weltweit liegt Deutschland auf Platz 4 aller Patentanmeldungen, sagt das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA)  – und das fühlt sich per se gut an. Aber im Detail?

China: 58 990 / USA: 57 840 / Japan: 52 660 / Deutschland: 19353

Ja, immer(hin) noch Platz 4, aber selbst wenn die Bundesrepublik doppelt so viele Patente wie bisher anmelden würde, würden wir uns um keinen Platz verbessern.

Also sind wir auch nicht wirklich das Land der Macher, dafür eher das der Marken, denn in Sachen Markenanmeldungen liegt die Bundesrepublik mit 7 700 Anmeldungen auf Platz 2 hinter den USA (10 087) und vor China (6 339).

Wer sich die Zahlen genauer anschaut, könnte zu dem wahrscheinlich mal gar nicht so falschen Schluss kommen, dass in China Patente vor allem von bestehenden großen Firmen eingereicht werden, während es in Deutschland eher so ist, dass wer mit einer „patenten Idee“ auch gleich seine eigene Firma gründet und deren Namen schützt, bevor er sich mit seiner Idee eben diesen Namen gemacht hat.

Das deckt sich zumindest mit den Zahlen der Weltorganisation für Geistiges Eigentum (WIPO) aus dem Jahre 2018. Da liegt Huawei mit 5 405 Patentanmeldungen (mit fast doppelt so vielen Patentanmeldungen wie der Nächstplazierte (Mitsubushi Electric Corporation / 2 812)) auf Platz 1, während Robert Bosch Corporation (mit 1 524 Patentanmeldungen) auf Platz 10 liegt.

Wenn es allerdings um Innovation im Bereich Attraktivität und Ästhetizität geht, da sieht es nach den Zahlen des DPMA für China schon weitaus schlechter aus. Bei den Designs stehen sie nämlich nicht auf dem Treppchen, aber halt auch nicht Frankreich, Spanien oder Italien, sondern hier geht Platz 3 an die Schweiz (2 178), Platz 2 an Südkorea (2 736) und Platz 1 (mit fast so vielen Einreichungen wie die beiden Davorgenannten zusammen) an Deutschland (4 487).

Das ist eine mindestens so große Überraschung wie das Auftreten unserer Mannschaft im zweiten Durchgang, zumal der alles andere als attraktiv und ästhetisch war. Insgesamt sehr freudlos, ohne Esprit, ohne Spielwitz. Neben Bicakcic fehlte auch Samassekou …

Gewiss gab es auch zu diesen 45 Minuten eine Idee, aber die stellte sich bei aller potenziellen Praktikabilität als letztlich völlig nutzlos heraus. Die Japaner haben für solche Ideen ein Wort: 珍道具.

Andere wunderbare japanische Wörter sind:

  • 積ん読 – Tsundoku – beschreibt den Kauf von Büchern, die sich zu Hause ungelesen stapeln.
  • 金継ぎ – Kintsugi – beschreibt eine traditionelle japanische Reparaturmethode für Keramik, bei der u.a. Risse mit einer Kittmasse repariert wird, die Pulvergold enthält.
  • 生き甲 – Ikigai– beschreibt das Gefühl der Lebensfreude und der inneren Zufriedenheit.

Ein Chindōgu löst ein tatsächliches Problem auf besonders kreative Weise, während sein tatsächlicher Einsatz mehr Probleme verursacht, als er tatsächlich löst …

Zum Beispiel so:

Chin5  Chin14    Chindogu   ChindoguChindogu  Chindogu  

Und die Art und Weise, wie sich initial Grillitsch und Skov in den entscheidenden Szenen einsetzten, hatten schon was davon: Der eine wandte sich vom Ball ab und ließ so seinen Gegenspieler laufen, der andere ließ sich recht grundlos mit Ball fallen. Vielleicht hätte der ein oder andere Schiedsrichter dieses Zweikämpfchens sogar abgepfiffen, aber Gräfe eben zu Recht nicht. Fußball wird nicht nur gespielt, er hat auch seine körperlichen Seiten, denen man standhalten muss – und Mann standhalten sollte. Was wir da aber zeigten, war ähnlich grotesk wie zum Beispiel diese Chindōgus:

   Chin6    Chindogu  

(Wer mehr Lust auf noch mehr solcher Ideen hat …
Hier geht’s zur Internetseite der International Chindogu Society.)

Die Folge war: Unterzahl in der Abwehr, Gegentore und eben die erste (maximal) Saisonniederlage – und die fünfte in Folge gegen die Hessen, die im Grunde sogar 3:1 gegen uns gewannen, aber dankenswerterweise musste ein Frankfurter Stürmer, der im Abseits stand, einen Zentimeter vor den Linie den Ball noch berühren.

Eine wirklich sinnlose Niederlage, denn erstens kamen die Frankfurter außer bei diesen grotesken Ballverlusten nie wirklich gefährlich vor unser Tor – und just vor dem 2:1 der Gastgeber hätten wir mit 2:1 in Führung gehen können.

Dass die Tabellenführung damit futsch ist, ist egal. Was nicht egal ist, ist, dass es unsere Mann wie bereits in den bisherigen Partien der Saison gegen die „normalsterblichen“ Teams nicht fertig brachten, über 90 Minuten hochkonzentriert, effektiv und präzise auf dem Platz als Team zu agieren. Dazu braucht es noch eine Idee, aber vor allem viel mehr Transpiration.

Lange Schreibe, kurzer Sinn:

  • Teflon ist kein „Abfallprodukt“ aus der Weltraumforschung.
  • Wir sind keine Spitzenmannschaft.
  • Wir brauchen mehr Witz – und 生き甲

ikigai17

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