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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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One Comment

1899 Hoffenheim vs. FC Augsburg

Γνῶθι σεαυτόν

Das Internet ist kein Weisenhaus.

Bekanntermaßen war früher alles besser. Aber war es anders? Und war das Andere besser? Schaut man sich die Entwicklung der Bevölkerung an, wohl eher nicht, denn viele Leute zog es aus ihren Dörfern in die Städte. Das taten sie zum einen wegen den dort zunehmenden Arbeitsmöglichkeiten. Aber auch um der Miefigkeit und Piefigkeit ihrer Heimat zu entkommen, zogen die Menschen in die Städte und die dort vorherrschende Anonymität vor. Endlich konnte man sich selbst verwirklichen, ohne dass die Klatschtanten des Dorfes sich das Maul zerrissen, wenn man mit zerrissenen Hosen herumlief oder Besuch von verschiedenen Leuten bekam, die sie nicht kannten. Das war für viele Menschen einfach unerträglich und sie verließen ihr Dorf, zogen in die Stadt – und sehr viele tun das heute noch – trotz aller Nachteile wie Anonymität, Einsamkeit in der Masse und Mietpreise, aaaber … das Internet ist besser.

Das Internet mag da schneller sein, aber ist es dadurch „besser“? Ist es überhaupt gut, denn was hat das Internet aus der Welt anderes gemacht als das globale Dorf – mit all seinen Nachteilen:

  • Die „Spähsoftware“ des WWW waren die ihren Hauseingang wundfegenden Damen in Kittelschürzen sowie Fensterbänker in Unterhemd.
  • Der Umschlagsort für die belanglosesten Neuigkeiten der Erwachsenen waren halt nicht Facebook oder XING, sondern der Friseur sowie der Tante-Emma-Laden.
  • Zudem hatte jedes Dorf seine Kneipe mit seinem Stammtisch, wo sich alle trafen, auch der obligatorische Volldepp, der Alt-Nazi, der Topschnösel, gern „der schöne XY“ genannt, von dem jeder wusste, dass er nichts auf der Pfanne hat, aber man hat ihn halt seine Münchhausen-Monologe mit all seinen wirtschaftlichen wie sexuellen Erfolgserlebnissen labern lassen, weil sie ja durchaus amüsant waren und man seine Kreativität nur bewundern konnte, wie man sich so viele Stories einfallen lassen kann – und wahrlich davon überzeugt sein, dass die von irgendwem auch nur ansatzweise geglaubt werden könnten.

Die Stammtische nennt man im globalen Dorf Portale – und davon gibt es einfach mehr, gar so viele, dass es nun für alle diese Volldeppen und -deppinnen, Alt- und Neonazis sowie Pseudoschönheiten ihre eigenen gibt, denn – das ist das Hauptproblem des Internet: Es brachte keine neuen Idioten hervor, es brachte nur alle existierenden Idioten zusammen – und diese befeuern sich stets selbst, was auch dadurch den Glauben an die Richtigkeit des eigenen Tuns bestärkt, zumal hier – im Gegensatz zum physischen Stammtisch im echten Dorf – Zweifler keinen Platz haben und/oder freiwillig nehmen.

Die Folge ist Isolation in Gemeinschaft. Deren Folge Hospitalismus. Darunter versteht man alle körperlichen und psychischen Begleitfolgen mangelnder Umsorgung und liebloser Behandlung (wie z. B. bei einem Krankenhausaufenthalt, Heimaufenthalt, Waisenhaus, Inhaftierung) sowie dem Entzug von Reizen und Zuwendung.

Dieser Hospitalismus drückt sich in den verschiedensten Formen aus – und NEIN: Die Palilalie sowie die Koprolalie gehören nicht dazu. Das – also das zwanghafte Wiederholen eigener Wörter und Sätze bei steigender Geschwindigkeit und sinkender Lautstärke (Palilalie) bzw. das Herausschleudern obszöner Begriffe (Koprolalie) – sind (die bekannten) Indikatoren, die man von Menschen kennt, die unter Tourette-Syndrom leiden, einer angeborenen Nervenkrankheit, die sich meist in unwillkürlichen Bewegungen ausdrückt. Selbstverletzungen kommen bei diesen Menschen zwar auch vor, sind aber Folge unkontrollierter Motorik, keine Absicht – im Gegensatz zu den Selbstverletzungen bei Menschen mit einem psychischen Defekt wie dem Hospitalismus, die da vor allem durch die extremste Form der sogenannten jactatio corporis entsteht, wo sich die Betroffenen dadurch versuchen zu stimulieren oder ihren Körper zu spüren, indem sie mit ihrem Kopf gegen die Wand schlagen.

Dass sich ein solches Tun nicht positiv auf die Ausbildung kognitiver Fähigkeiten auswirkt, dürfte jedem klar sein, der TRARAA nicht auf den Kopf gefallen ist.

Entsprechend ist die Qualität dessen, was man da vermehrt in diesem globalen Dorf wahrnehmen darf. So kann man auf diesen Schönheitsportalen ja schon froh sein, wenn die Mehrheit den Unterschied kennt zwischen Instagram und Kilogramm.

Und über die Portale wollen wir uns ja gar nicht weiter auslassen, denn schließlich wollen wir diese Menschen in ihren Irrglauben nicht bestärken, dass das, was sie da absondern, irgendwas Besseres wäre als das, was es ist: Verbal-Eiter.

Was aber kann man tun, wenn man, wo doch die Mannschaft schon keine Spiele mehr gewinnt, Erkenntnisse gewinnen möchte, wo doch das Internet kein (H)Ort der Weisheit ist.
(Siehste, wenig geneigte/r Leser/in, war doch kein Schreibfehler in der Unterüberschrift. Geneigte/r Leser/in: Zu der Überüberschrift kommen wir gleich.)

Also: Was tun?

Richtig: unsere Bemerkungen zu den Spielen lesen, denn diese sind auch nicht richtiger als andere, aber dafür auch definitiv nicht falscher und vor allem nicht dümmer, nicht profaner, nicht langweiliger. Auf gut deutsch: Sie sind immer ein Gewinn!

Warum aber gewinnt die TSG nicht immer?

Weil das kein Team der Welt tut. Oft liegt das vor allem am Gegner, da der an diesem Tag besser ist, nicht selten aber auch an einem selbst, da man an diesem Tag schlicht schlecht war – und manchmal liegt es auch an der Spielleitung. Wenn es ganz doof läuft, so wie gestern, kommt alles drei zusammen.

Wir sind große Bibiana Steinhaus-Fans. Sie leitet die Spiele prinzipiell sehr souverän und einwandfrei. Gestern pfiff sie bisweilen einen rechten Kack zusammen, womit sie dem Kick den Kick nahm. Vor allem mit der völlig überzogenen Reaktion auf Samassékous erstes Foul (? – zwar grätschte er von hinten, aber er spielte ja den Ball sehr souverän und touchierte seinen Gegenspieler kaum) sorgte sie für einen entscheidenden Moment für den weiteren Verlauf. Mit dem Ziehen der gelben Karte zog sie im Grunde unserem Spiel den Zahn. Als sie dann nach einem weiteren unglücklichen Zusammenprall Samassékous mit seinem Gegenspieler, der sich nach dem Kontakt als wahres Ronaldo-Neymar-Schautalent darstellte ( … äh: genauer: -legte, -wand) sehr eindringlich ermahnte, konnte Schreuder nicht anders, als ihn vom Feld nehmen.

Seltsamerweise brachte er für ihn Geiger statt Hübner. Ein insofern nachvollziehbarer Wechsel, als er positionsgetreu war und die Idee der variierenden Innenverteidigung, wo einer der Sechser die zentrale Position dort einnahm, zu dem Zeitpunkt einigermaßen funktionierte, aber dennoch war in der letzten Reihe im Gegensatz zu einer soliden Grundordnung eine große Unruhe zu erkennen. Hübner hätte hier mit Sicherheit für mehr Ruhe, dafür bei den (fast 20) Ecken für mehr Gefahr sorgen können.

Nichtsdestotrotz spiele die TSG bei richtig beschissenem Wetter richtig guten Fußball. Es wurde viel versucht, die zwei dicht beieinander platzierten Viererketten der Augsburger auseinanderzuziehen. Die Mannschaft stand sehr hoch, machte viel Druck, immer wieder wurde der Weg über die Außen (und) nach vorne gesucht, aber zu oft fand der Ball ein Augsburger Bein mit oft simplen Tipp-Kick-Tourette, aber bisweilen auch feinen Füßchen.

Den Ball vor dem 0:1 hätte Hübner, wäre er auf dem Platz und da gestanden, locker ins Aus geköpft. Grillitsch versuchte das auch, aber verlängerte dabei nur den Ball, so dass Akpoguma dadurch überspielt, von seinem Gegenspieler überrannt wurde. Der musste dann nur noch quer spielen, wo sein völlig freier Mitspieler nur noch einschieben musste.

Toll, wie die TSG auf den Rückstand reagierte. Es ging gleich wieder mutig nach vorn – mit schnellem und präzisem Kombinationsfußball und BÄMM hämmerte Skov nur wenigen Sekunden später aufs Augsburger Tor und den Ball in die Maschen.

Überhaupt war der Däne erfreulich oft vorn und machte dort erstaunlich viel Alarm. Gewiss hätte er noch mehr machen können, wenn Bicakcic keine Linkspassallergie an diesem Abend gehabt hätte. Aber das war nicht sein einziges Problem an diesem Abend.

Seine viel zu kurze Kopfballabwehr leitete den erneuten Rückstand ein: Sie landete bei einem Augsburger, der passt auf einen Mitspieler, Akpoguma foult, Elfer, verwandelt.

Wieder lagen wir sinn-, aber halt nicht grundlos zurück, denn Schreuder ließ den Fußball spielen, den (angeblich) alle Hoffenheimer sehen wollen: nach vorn – mit sehr viel Risiko. Dass dann, als der erste Rückpass des Spiels kam, auch sogleich auf den Rängen gepfiffen wurde, sagt viel über diese/n Zuschauer aus. Sobald nicht kopflos nach vorn gekickt wird, wird hirnlos reagiert.

Aber ist das wirklich so hirnlos? Immerhin will jeder Mensch Anerkennung und Zustimmung – und wenn es etwas gibt, worauf man hierzuregione verlassen kann, dann ist es die Zustimmung auf Missfallensäußerungen zu jedweder Zeit, also auch zu Unzeiten, wo die Mannschaft alles andere besser hätte gebrauchen können.

Aber so ist der Mensch halt: sich selbst am nächsten. Und wenn einer aufgrund seiner Reaktion keinen Fußballsachverstand, sondern eine (frühkindliche?) Erfahrung voller emotionaler Vernachlässigung ganz offensichtlich zum Ausdruck bringt, wie soll dieser Mensch dann Empathie entwickeln oder gar in der Lage sein, Zuwendung zum Ausdruck bringen zu können?

Genau, es geht nicht, deshalb muss man auch Mitleid haben mit ihm und anderen derartigen Menschen. Sie zählen mehr zu den Waisen als den Weisen. Zu denen zählen wir (uns) nicht, dafür aber Chilon von Sparta. (Sparta, der griechischen Stadt, nicht: Sparta Prag). Von ihm stammt der Überlieferung nach die Inschrift am Apollotempel von Delphi:

Γνῶθι σεαυτόν

Dieser Satz, ausgesprochen: Gnothi seauton, heißt nichts anderes als die Aufforderung an den Menschen: „Erkenne dich selbst!“ – und damit verbunden die Aufforderungen an jeden Einzelnen, einzusehen, dass ein jeder Mensch, also Normalsterblicher, in seinem Tun, Handeln und überhaupt seinen Möglichkeiten (im Verhältnis zu den Göttern) begrenzt ist. Zudem geht damit auch die Warnung einher, sein Tun, Handeln und seine individuellen Möglichkeiten zu überschätzen.

Chilon von Sparta gilt als einer der „Sieben Weisen“. Zu ihnen zählen nebst ihm Pittakos von Mytilene, Bias von Priene, Solon von Athen, Kleobus von Lindos, Myson von Chenai sowie, den kennst du, geneigte/r Leser/in, Thales von Milet. Er war der erste, der laut Diogenes Laertios, das Jahr in 365 Tage und diese in vier Jahreszeiten eingeteilt hat und derjenige, der feststellte: „Alle Winkel im Halbkreisbogen sind rechte Winkel.“ (Besser bekannt aus dem Mathematik-Unterricht als „Satz des Thales“. – „Ach, der?“ „Ja, der!“

Weitere Sätze der Weisen sind u.a.

Εὐποροῦντα μὴ ὑπερήφανον εἶναι, ἀποροῦντα μὴ ταπεινοῦσθαι.
(„Sei im Glück nicht stolz, im Unglück nicht niedrig.“)
Kleobulos von Lindos

Μὴ κακοῖς ὁμίλει.
(„Meide schlechte Gesellschaft.“)
Solon von Athen

Εἰς κἀτοπτρον ἑμβλἐψαντα δεῖ, εὶ μὲν καλὸς φαἱνῃ, καλὰ ποιεῖν· εἰ δὲ αἰσχρός, τὸ τῆς φύσεως ὲλλιπἑς διορθοῦσθαι τῇ καλοκαγαθίᾳ.
(„Sieh in den Spiegel: wenn du schön aussiehst, musst du auch Schönes tun; wenn hässlich, musst du den Mangel an Natur durch Rechtschaffenheit ausgleichen.“)
Bias von Prien

Mögen dir, geneigte/r Leser/in wie uns das sein, was der TSG gestern nicht vergönnt war: ein Gewinn!

So sehr der erneute Konter der Gäste uns sogar einen 2-Tore-Rückstand einbrachte, versuchte die Mannschaft weiter, dagegenzuhalten.

Schreuder mutierte sogar zum Nagelsmann, als er mit seinen Einwechslungen für noch mehr Löcher in der Defensive, dafür umso mehr Stoff in der Offensive gesorgt hat.

Baumgartner für Kaderabek. Zuvor wurde der auch beim 1:3 sehr unglücklich agierende Bicakcic durch Locadia ersetzt. Diesem gelang sogar der Anschlusstreffer nach schöner Vorarbeit von Skov, was uns für eine Minute, zwei , sogar Hoffnung schöpfen ließ, aber dann gelang es wieder – und diesmal sogar zweimal – nicht, den Ball trotz Überzahl im Fünfer ins Tor zu bringen, während die Gäste mit ihrem dritten Konter in Halbzeit 2 ihr viertes Tor erzielten.

Nein —- wir haben die Eingangsfrage nicht vergessen:

Warum aber gewinnt die TSG nicht immer?

Weil unsere Defensive nicht mehr die Solidität besitzt, die uns vor Wochen noch ebenso ausgezeichnet hat wie Weisheit und Weitsicht. Jetzt ist der Weitkick das Werkzeug der Wahl und das hat seine Grenzen, denn, wie ein anderer weiser Mann sagte:

„Wenn du nur einen Hammer hast,
sehen alle deine Probleme aus wie Nägel.“

Das war aber kein antiker Grieche, sondern ein (recht) moderner Amerikaner: Samuel Langhorne Clemens, besser bekannt unter seinem Pseudonym Mark Twain. Und als solcher hat er auch sehr viel Weises und Witziges gesagt, was gewiss nicht jede/r richtig versteht, zumal das mit Ironie ja immer so eine Sache ist. Aber im globalen Dorf erfreuen sich seine Sentenzen weitaus größerer Beliebtheit als der des Chinon von Sparta.

Was braucht man, um erfolgreich zu sein?
Unwissenheit und Selbstvertrauen.

Vielleicht gewinnen die Deppen deshalb im globalen Dorf die Mehrheit … Es könnte aber auch eine Erklärung sein, warum wir … äh: die TSG nichts reißt: zu klug, zu reflektiert.

Zum Glück kicken wir ja Dienstag schon wieder. Bietet nicht so viel Zeit zum Nachdenken, dafür schnell Gelegenheit zum Bessermachen.

Noch sind es zwei Spiele – und mit vier Punkten aus den Partien hätten wir genauso viel Punkte wie vor Weihnachten 2018. Das heißt …

Soooo viel besser war früher auch nicht alles …

Man muss auch das Positive nur erkennen (wollen) …

Comments

  1. Jürgen Buchner

    oder: „Wer nichts weiß, versteht alles“ Zarko Petan, slowenischer Schriftsteller (1929-2014)

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