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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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1899 Hoffenheim vs. Bayer Leverkusen

Versuch eines semipataphysikalischen Spielberichts

unter besonderer Berücksichtigung der Ignoranz der Semantik der dieses Kompositum bildenden Lexeme

Nach dem Spiel versuchen wir ja an dieser Stelle stets, etwas (ein sehr schönes, dem Fußballsport inhärentes Idiom) „Musik ins Spiel“ zu bringen – und vielleicht auch ein wenig Hoffnung.

We’re on the trail of a long, long track
Now listen to me baby
I don’t waste no time
Cause it’s gonna be fine

Ein weiteres ist: „ein Spiel lesen“.

Gemeint ist damit die Fähigkeit eines Akteurs, aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Informationen die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen und darauf aufbauend, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Dabei stehen dem Akteur außerhalb des Spielfeldes außer „weiter zugucken“, drei Möglichkeiten zur Verfügung: „auswechseln“ (Trainer), „gehen“ (Stadionbesucher), „ausschalten“ (Fernsehzuschauer).

Greift jedoch ein Akteur auf dem Spielfeld auf eine der drei genannten Möglichkeiten zurück, kann kaum von einer „richtigen Entscheidung“ die Rede sein. Er hat die Möglichkeit, sofern er (s)ein Spiel lesen kann, durch Pass- und Laufspiel sowie Deckungsverhalten (die) Geschichte (des Spiels) zu schreiben.

Nun will man die Mannschaft nicht der „spielerischen Dyslexie“ oder gar einer gewissen „hermeneutischen Reaktanz“ zeihen, aber es war schon erstaunlich, wie identisch sich die Geschichte dieses Spiels verglichen mit dem der Vorwoche las:

– Erste Chance des Gegners führt sofort zu einem frühen Gegentor nach einem Unordnung in der Defensive auslösenden hohen Ball von außen.
– Ignoranz des Rückstands bei gefälligen Mittelfeldspielgerätverteilungsübungen mit regelmäßigen Defiziten in der Ballannahme
– Zweites Gegentor durch einen Konter mit der 2. Chance des Gegners nach so sinn- wie grundlosem Ballverlust
– Halbzeit
– Aufbäumen
– Chancenplus
– positives Eckenverhältnis
– ein selbst geschossenes Tor
– Abpfiff

Wieder eine unnötige Niederlage. Wieder hört man, dass man auf der Leistung der 2. Halbzeit aufbauen könne, wieder hört man schon Gehörtes. „Und wöchentlich grüßt der Elch?“

„Babbel net“ stand auf dem Transparent, das einige Fans auf der Gegengerade freudig am Ende des Spiels ausrollten und stolz hochhielten, in der Hoffnung, dass es zumindest die Fernsehkameras sahen.

Eigentlich ein sehr cleverer Spruch, der sich wohlwollend von dem doch sonst üblichen Duktus abhebt, der sich auch in seiner Affekthöhe in nichts von der wenig innovativen und noch weniger intelligenten rassistischen und/oder abverkaufsfokussierten Parole unterscheidet, wonach eben kundgetan wird, dass nach Ansicht der Proklamateure der oder die Ausländer, alles oder eben der „Trainer raus“ muss.

Nein. „Babbel net“ hat (auch regionalen Wort-)Witz (Einschub für Auswärtige: „net“ = „nicht“, „babbeln“ = „geschwätzig seiner selbst willen sein und den Beweis der den großen Worten folgenden großen Tat schuldig zu bleiben“), was wohl neben dem Timing erklärt, warum das mit dem Fernsehauftritt des Plakats nichts wurde.

Wahrscheinlich wollte man da doch auf Nummer Sicher gehen. Meinungen werden ja gerne dann kundgetan, wenn man sich der Zustimmung der anderen sicher wähnt. Nach dem Schlusspfiff konnte man das und stolz sprichwörtlich hinter seiner Meinung stehen.

Das wäre nicht so gut gekommen, wenn die Mannschaft, und Chancen gab es hier weiß Gott (wie auch jeder einzelne Stadionbesucher) genug, zum 2. Mal gegen die Werkself gewonnen hätte. Zuletzt war das vor fast auf den Tag genau neun Jahren. Am 2. Dezember 2003 stand die TSG 1899 Hoffenheim mit Hillenbrand, Thee, Throm & Throm, Daub, Müller, Bindnagel, Sieger, Böttier, Ollhof sowie später Herdling und Theres auf dem Spiel- und auf einem durchschnittlichen Tabellenplatz in der Regionalliga. Mehr noch: Nach dem 3:2-Sieg gegen den Bundesligisten standen wir im Viertelfinale des DFB-Pokals.

Diesmal standen wir nur auf dem Platz.

Auch wenn es bei diesem Spiel primär darum geht, das Spielgerät (mit einem Umfang von min. 68 und max. 70 cm) unter Einhaltung der Spielregeln in seinem ganzen Durchmesser (!!!) über die Linie des auf einer Breite von 732 cm mittig an den Querseiten des Spielfeldes stehenden Rechteckes in einer Höhe von bis zu maximal 244 cm (daraus resultierende Gesamtfläche: 17,8608 qm) zu bugsieren, geht es nicht nur darum, den Ball in diese Richtung zu bewegen, sondern auch sich selbst.

Zugegeben, das Verhältnis erweckt den Eindruck der Simplizität. Weit über 3.500 mal passt die Fläche des Balles (als zweidimensionale Draufsicht, d.h. Kreis) in die Fläche des Tores. Das scheint die Mühen nicht wert, zumal ja der Gegner seinerseits zeigte, wie einfach das geht und dass sich nicht die ganze Mannschaft bewegen muss.

Das stimmt schon. Kompliziert wird es halt, wenn der Gegner Maßnahmen ergreift, die verhindern sollen, dass das Spielgerät über jene Linie kommt, die es zu verteidigen gilt.

Dass gegnerische Mannschaften das tun, scheint man unseren Jungs nicht gesagt zu haben. Und so reichte es, dass auch die gegnerische Mannschaft nur auf dem Platz stand. Mehr oder weniger. Und so spielte man sich den Ball zu und hin und her und ab und zu durfte auch der andere mal und so, wie geht’s, schön, hach ja, Sonntag, was macht die Familie, Käsekuchen, freut mich, wirkte das alles sehr nach Warmmachen, was wohl den Schiedsrichter derart erhitzte, dass er nach rund einer Viertelstunde, vielleicht hat er keine Familie oder es gab keinen Käsekuchen mehr, auf jeden Fall aus einem Grund, der im eckigen Rund jedem verborgen blieb, Freistoß gab. Die Folgen wurden anfangs beschrieben.

Und spätestens jetzt begann jeder (auf den Rängen) sich zu fragen, ob er das Spiel nicht schon einmal gelesen, naja: zumindest gesehen hat. Alles war gleich, außer der Zuschauerzahl, die um 10% höher angegeben wurde als beim letzten Mal. Ist ja auch einfacher, an einer modernen Anzeigetafel für Lichtblicke zu sorgen, verfügt sie doch im Gegensatz zur Mannschaft auch über eine moderne Technik – und im Gegensatz zum Schiedsrichter über ein stets gleich funktionierendes Regelwerk.

Man muss es als hohe Kunst der PR seitens der DFL und des DFB ansehen, dass sie es mit klassischer Biedermeierpädagogik geschafft hat, dass stets die eigene Mannschaft und nie ein anderer, insbesondere nicht der Schiedsrichter Schuld am schlechten Abschneiden hat. Ganz wie ein Schüler stets doof und der Lehrer nie schlecht war. Oder er, der Schüler, ist krank und kann auch nichts dafür. Stichwort: ADHS, womit wir wieder beim Trainer wären, denn der hat es definitiv nicht.

Er sitzt da und schaut. Aber es sieht nicht aus, als ob er analysiert. Er schaut nämlich nicht nur, sondern er hört auch, denn neben ihm sitzt sein Co Widmayer, der viel auf ihn einredet. Ob er auch zuhört? Oder hat das was von einer Klischee-Ehe, wo er ins Leere schaut, während sie ihm seine Defizite aufzählt (Müll runter, Weihnachtsdeko rauf, duschen etc.)?

Nach dem 0:2 ergriff er dann erst mal die Initiative und tat es der Mannschaft gleich: Er stand. Und in der Halbzeit wurde er gleich wieder initiativ: Er wechselte einen Angreifer (Joselu) sowie Grifo, der erstmals von Anfang an sowie auf links spielte, gegen zwei Angreifer (Schipplock, Derdiyok), was erst für große Verwunderung auf den Rängen, dann für Verwirrung auf dem Platz sorgte, denn beide beanspruchten gleich mal die Mitte für sich.

Aber so nach und nach wurde das was und so nach und nach wurde die Mannschaft auch wach und so nach und nach der Gegner müde und so nach und nach kamen wir näher ans und dann nach ner guten Stunde der Ball auch ins Tor – wenngleich über Umwege. Aber egal. Drin ist drin und das war der Ball und der Schiedsrichter akzeptierte das auch und nun nach der 7. Niederlage sind wir auch drin – im Abstiegskampf, weil … Platz 16 … obwohl … Kampf? … nein, keine Anspielung auf die Leistung der Mannschaft, Fakten: Von Platz 18 trennen uns aktuell so viel wie von Platz 8.

Ein Lichtblick.

Danke fürs Lesen. Und …

… wenn die Mannschaft jetzt noch anfängt, das Spiel auch zu spielen, fangen wir an, zusammenzulegen und am 34. Spieltag Markus Babbel als Trainer der TSG 1899 Hoffenheim einen Cowboyhut zu schenken, weil er es dann wie John Wayne geschafft hat, auch unter Beschuss im Sattel zu bleiben.

Ihm muss es halt nur gelingen, aus dieser zahmen Horde wieder eine wilde Herde zu machen, womit sich auch endlich, endlich das einleitende Video nicht nur der einleitenden Worte wegen (hoffentlich/vielleicht) erklärt …

Und sollte noch wer wissen wollen, was „Pataphysik“ ist: Bitte sehr …

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